Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunzehnter Jahrgang. 1903. (44)

Großbritannien. (September 8.— Mitte.) 267 
noch immer nicht genügende Vorkehrungen getroffen worden, um die 
Wiederkehr solcher Zustände zu verhüten. An dem gegenwärtigen Militär- 
system will sie festgehalten wissen, da sich dasselbe weiter ausbilden lasse; 
die Verteidigung der englischen Küsten sei allerdings im gefährlichen Maße 
schwach. Als eine erste Aufgabe bezeichnet die Kommission sodann die 
Behandlung der Rekrutierungsfrage; das Heer als Ganzes repräsentiert, 
ihres Erachtens, in keiner Weise die militärische Kraft des Reiches. Lob 
spendet sie den Kolonialtruppen, die in einem kommenden Kriege von 
hohem Werte sein würden, doch seien, damit ihre Tüchtigkeit voll zur Gel- 
tung gelangen könne, gut ausgebildete Offiziere und eine Reihe von Maß- 
nahmen zur Stärkung der Disziplin notwendig. — Der Oberbefehlshaber 
in Südafrika, Feldmarschall Lord Roberts, erklärt bei seiner Vernehmung 
vor der Kommission, die Zahl der im letzten Kriege gemachten Fehler sei 
bei den höheren Chargen der Offiziere größer gewesen als bei den niederen. 
Die Kommission gibt endlich zu, daß es unmöglich sei, schon in Friedens- 
zeiten eine auch für den Krieg hinreichende Anzahl von Sanitätsoffizieren 
im Mie zu halten und empfiehlt, ein dem deutschen ähnliches System 
zu wählen. « 
Die Kosten des Krieges betragen 222 974 000 Lstrl. Englischerseits 
waren 380577 Mann Truppen mobilisiert, während auf seiten der Buren 
89 375 Mann im Felde standen. Die englischen Verluste betrugen im 
ganzen 97 478 Mann, von denen 8590 im Feuer fielen, während 13 352 
an Krankheiten starben. 75 536 Mann waren krank oder verwundet. 
8. September. (Leicester.) Der Kongreß der Gewerkschaften 
nimmt mit allen gegen 2 Stimmen eine Resolution gegen Cham- 
berlains Politik an. 
14. September. (London.) Es findet ein Ministerrat statt, 
in dem über die künftige Politik des Kabinetts, insbesondere Cham- 
berlains Zollvorschläge, beraten wird. 
Mitte September. Folgender Briefwechsel zwischen Cham- 
berlain und Balfour über ihre Auffassung der politischen und wirt- 
schaftlichen Lage und die bevorstehende Demission Chamberlains 
wird verbffentlicht: 
Chamberlain an Balfour: „Highbury, Birmingham, 9. Sept. 1903. 
Mein lieber Balfour! In Anbetracht der bedeutsamen Kabinettssitzung, 
die am Montag stattfinden wird, habe ich die angenblickliche Lage, soweit 
dadurch die Regierung und auch die große Frage der Zollreform berührt 
wird, auf das sorgfältigste erwogen. Als Sie in Ihrer Antwort an die 
Deputation wegen der Kohlensteuer und ich in meiner Rede an meine 
Wähler auf die Aenderungen aufmerksam machten, die in den letzten fünfzig 
Jahren in unserer kommerziellen Stellung eingetreten waren, und als wir 
eine Untersuchung dieses Umstandes in Vorschlag brachten, da, glaube ich, 
dachte keiner von uns daran, eine reine Parteistreitfrage heraufzubeschwören. 
Wir regten nicht zum ersten Male eine Frage von der größten nationalen 
und imperialen Bedeutung an, in der Hoffnung, daß sie von Freunden 
und Gegnern mit einer gewissen Unparteilichkeit besprochen werden würde, 
und daß die auf diese Weise eingeleitete Untersuchung zu Schlußfolgerungen 
führen könnte, die von der Majorität des Volkes angenommen und dem- 
gemäß durch die Resultate der nächsten allgemeinen Wahlen bestätigt 
werden würden. Ob unsere Ansicht eine verständige war oder nicht, sei
	        
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