268 Greßbritannien. (September Mitte.)
dahingestellt; jedenfalls wurde sie von den Führern der liberalen Partei
nicht geteilt. Diese verspotteten von Anfang an die Idee, daß ein System,
welches im Jahre 1846 allgemein anerkannt wurde, im Jahre 1903 über-
haupt einer Aenderung bedürfen könne; es wurden alle Mittel, welche der
Parteiorganisation zur Verfügung stehen, in Anwendung gebracht, um
jeden Versuch, das Fundament unserer jetzigen Zollpolitik zu ändern oder
auch nur zu untersuchen, zum Scheitern zu bringen. Dabei waren die
Befürworter einer derartigen Erwägung in großem Nachteil. Wegen der
innerhalb der unionistischen Partei unverkennbar vorhandenen Meinungs-
verschiedenheiten waren die politischen Organisationen derselben gelähmt
und unsere Gegner hatten für sich das Feld vollkommen frei. Als Haupt-
tampfmittel benützten sie die Abneigung gegen Lebensmittelzölle wie über-
haupt gegen jede Aenderung des gegenwärtigen Zollsystems, auch wenn
eine solche den Zweck haben sollte, uns und unseren Kolonien Vorteil zu
bringen und die verschiedenen Teile des Reiches enger aneinander zu
schließen. In etwas unskrupulöser Weise ist von dem alten Kampfgeschrei
der „Brotverteuerung“ Gebrauch gemacht worden, und da jede öffentliche
Diskussion der Frage fehlte, so wurden dadurch, wie ich zugeben muß,
ernste Vorurteile geschaffen. Wenn auch das Volk im allgemeinen sich
wohl der Gefahr bewußt ist, die in dem unbeschränkten Wettbewerb der
fremden Länder liegt, die ihre Märkte gegen uns verschließen, während sie
auf unserem Markt einen Abfluß für ihre Ueberproduktion finden, so weiß
es doch noch nicht die Bedeutung unseres Handels auf den kolonialen
Märkten zu schätzen und die Gefahr richtig zu würdigen, die darin liegt,
daß wir diese Märkte verlieren können, wenn wir nicht in irgend einer
Weise dem natürlichen und patriotischen Verlangen der Kolonien nach
Vorzugstarifen entgegenkommen. Das Resultat ist, augenblicklich wenigstens,
das, daß ein Vorzugsabkommen mit unseren Kolonien der Majorität der
Wähler unannehmbar erscheint, sobald damit ein noch so geringer Zoll auf
bisher nicht verzollte Lebensmittel verbunden ist, selbst wenn dieser Zoll-
mit einer Ermäßigung der Zölle auf andere Nahrungsmittel verknüpft
sein sollte, deren Genuß ein ebenso allgemeiner ist. Wie sehr wir eine
derartige Erscheinung auch bedauern und für wie falsch wir sie halten
mögen, so kann in einem demokratischen Lande doch keine Regierung ein
derartiges Urteil unberücksichtigt lassen. Ich sehe daher ein, da es augen-
blicklich unmöglich ist, als unmittelbare und praktische Politik die Frage
der Bevorzugung der Kolonien mit irgend welcher Hoffnung auf Erfolg in
Angriff zu nehmen, obgleich zu Gunsten der anderen Art fiskalischer Reform,
die der Regierung größere Machtvollkommenheit bei ihren Verhandlungen
mit fremden Ländern über einen freieren Austausch von Waren verleihen
und andere Vertreter befähigen würde, Gegenmaßregeln zu ergreifen, wenn
unseren gerechten Forderungen nach größerem Entgegenkommen keine Zu-
geständnisse gemacht werden sollten, ein starkes Gefühl vorhanden ist. Wenn
Sie, wie ich glaube, diese Ansichten teilen, so können Sie meiner Ansicht
nach diesen Teil der Reform mit vollem Rechte als die Politik Ihrer
Regierung annehmen, obgleich natürlich einige Aenderungen in der Zusammen-
setzung der Regierung damit verknüpft sein würden. Als Staatssekretär
für die Kolonien während der letzten acht Jahre bin ich aber in einem
speziellen Sinne der Vertreter auch der Politik des engeren Anschlusses an
die Kolonien gewesen, der, wie ich fest überzeugt bin, gleich notwendig ist
für unsere eigenen Interessen und für diejenigen der Kolonien, und ich
glaube, daß es heute noch möglich sein wird, Vorbereitungen zur Herbei-
führung dieses Anschlusses zu treffen, während es morgen vielleicht schon
unmöglich sein dürfte. Ich habe die denkbar beste Gelegenheit gehabt, die