Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunzehnter Jahrgang. 1903. (44)

272 Eroßbritannien. (Oktober.) 
Kabinett ist nunmehr folgendermaßen zusammengesetzt: Mr. Balfour Pre- 
mierminister, Lord Halsbury Lordkanzler, Lord Salisbury Lord vom Privat- 
siegel, Lord Londonderry Lordpräsident des Rats und Vorsitzender des 
Unterrichtsministeriums, Mr. Austen Chamberlain Finanzminister, Mr. 
Akers Douglas Justizminister, Lord Lansdowne Minister des Aeußeren, 
Mr. Lyttleton Kolonialminister, Mr. Arnold Forster Kriegsminister, Mr. 
Brodrick Staatssekretär für Indien, Lord Selborne Erster Lord der Ad- 
miralität, Lord Ashbourne Lordkanzler für Irland, Mr. George Wyndham 
Obersekretär für Irland, Mr. Gerald Balfour Präsident des Handels- 
amtes, Mr. Graham-Murray Staatssekretär für Schottland, Lord Stanley 
Generalpostmeister, Mr. Walther Long, Präsident des lokalen Regierungs- 
amtes, Lord Onslow Präsident des Landwirtschaftlichen Amtes. 
Oktober. Kampf um die Zollpolitik. Statistik der Lebens- 
mitteleinfuhr. 
Am 6. Oktober legt Chamberlain in Glasgow seinen Zollplan 
dar: Englands Handel beginne zu stagnieren. In den letzten 30 Jahren 
nahm der Export nach den fremden Ländern um 46 Millionen jährlich 
ab, während der Export nach den Kolonien um 40 Millionen jährlich zu- 
nahm. Der Handel nach den Kolonien war der schätzbarste Teil des eng- 
lischen Handels. In derselben Zeit stieg der Import aus den fremden 
Ländern von 63 auf 149 Millionen. Wenn unser neuer kolonialer Handel 
nicht zunimmt im Verhältnis zu unserer Bevölkerung und im Verhältnis 
zu der Abnahme unseres Handels mit dem Auslande, dann müssen wir 
zu einer Nation fünften Ranges herabsinken. Unser Geschick würde das 
vergangener Reiche sein, und auch unser Handel innerhalb des Reichs- 
gebiets würde zurückgehen, wenn wir nicht Schritte tun, dies zu verhin- 
dern, so lange noch Zeit ist. Die Kolonien wären bereit, uns mit einer 
mäßigen Bevorzugung entgegenzukommen, und nach meiner Berechnung 
würden wir 26 Millionen Pfund vom fremden Handel mit den Kolonien 
an uns reißen, 750000 Menschen mehr beschäftigen und damit fast 4 Mil- 
lionen Seelen unserer Bevölkerung unterhalten können. Er schlage keinen 
Zoll auf Rohmaterial vor. Wenn England aber wünsche, den Kolonial= 
handel zu erobern und eine Trennung zu verhindern, müsse man die 
Lebensmittel besteuern. Trotzdem würden aber durch keinen seiner Vor- 
schläge die Unterhaltungskosten einer Familie des Landes auch nur um 
einen Farthing erhöht werden. Sein vorläufiger Plan gehe dahin, einen 
Zoll von zwei Schilling auf fremdes Getreide und einen entsprechenden 
Zoll auf Mehl zu legen. Auf Getreide aus britischen Besitzungen wolle 
er aber keinen Zoll gelegt wissen. Er schlage ferner vor, einen Zoll von 
fünf Prozent auf fremde Fleisch- und Molkereiprodukte, mit Ausnahme 
von Speck, zu legen, und den Kolonien eine wesentliche Bevorzugung auf 
ihre Weine und Früchte zu gewähren. Er schlage andererseits vor, nur 
drei Viertel des Zolles auf Tee und nur die Hälfte des Zuckerzolles zu 
erheben, sowie eine entsprechende Herabsetzung des Zolles auf Kaffee und 
Kakao eintreten zu lassen. Die neuen Zölle würden die Ausgaben des 
ländlichen Arbeiters um 16½ Farthings wöchentlich, die des Handwerkers 
um 19½ Farthings erhöhen. Aber der Betrag, welcher aus der Auf- 
hebung bisheriger Zölle sich ergebe, würde für die ländlichen Arbeiter eine 
Ermäßigung der Unterhaltskosten um 17 und für die Handwerker um 
19½ Farthings darstellen. Es sei eine irrige Voraussetzung, daß der ge- 
samte Zoll von den Konsumenten gezahlt werde. Er glaube, daß der Zoll 
hauptsächlich vom Auslande getragen werde. Nach seiner Schätzung würden 
die Mindereinnahmen des Schatzamtes 2 800 000 Pfund jährlich betragen.
	        
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