Großbritannien. (Oktober 8. 14.) 273
Er schlage aber vor, dies wieder einzubringen durch eine Maßregel, die
manchmal Verwaltung, manchmal Reziprozität genannt werde, nämlich
durch einen Zoll von 10 Prozent auf fremde Manufakturwaren. Dieser
Zoll würde 9 Millionen ergeben, die er, wenn er Schatzkanzler wäre, dazu
verwenden würde, den Ausfall von 2 800 000 Pfund zu decken und eine
weitere Ermäßigung der Nahrungsmittelzölle und der übrigen Zölle, die
das Land wirklich belasten, eintreten zu lassen.
Fast täglich halten mehrere Parteiführer Reden für und wider die
Einführung des Schutzzolls. Am 13. spricht Lord Rosebery in Sheffield
gegen Chamberlain, am 15. Oktober erklärt der Führer der Liberalen Sir
Henry Campbell-Bannermann in Glasgow es für schamlos, daß eine
Regierung, die seit acht Jahren am Ruder ist, jetzt auf einmal die Ent-
deckung mache, daß das englische Weltreich zerfallen werde, falls es nicht
gelingen sollte, das fiskalische System umzustürzen. Ein solches Vorgehen
grenze an ein politisches Verbrechen. Die liberale Partei trete einer solchen
Politik entgegen und behaupte statt dessen, daß das ökonomische Verwalten
der Finanzen, bessere Erziehung, Reform des Landsystems und der Lebens-
bedingungen des Arbeiterstandes mehr dazu dienen würden, den nationalen
Wohlstand und die Lebensverhältnisse jedes Einzelnen zu heben. — Der
Kampf dreht sich vorwiegend um die Lebensmittelzölle. Die Lebensmittel
werden zum geringsten Teile aus den Kolonien eingeführt: Von dem ein-
geführten Weizen entfallen 28 Proz. auf die britischen Besitzungen, haupt-
sächlich Kanada und Indien, dagegen 72 Proz. auf das Ausland. Bei
der Einfuhr von Weizenmehl beträgt der Anteil der britischen Besitzungen
10 Proz., der des Auslandes 90 Proz., bei Gerste 0,3 und 99,7 Proz., bei
Haber 3 und 97 Proz., bei Mais 0,2 und 99,8 Proz., bei Speck, Schinken
und Schweinefleisch S8 und 92 Proz., bei Ochsenfleisch 9 und 91 Proz., bei
anderem Fleisch und haltbar gemachten Fleischwaren 41 und 59 Proz.
8. Oktober. (Glasgow.) Die Vereinigung der Bergarbeiter
Großbritanniens, die 347.000 Bergarbeiter vertritt, verwirft mit
89 gegen 5 Stimmen die Zollpolitik Chamberlains.
14. Oktober. (London.) Folgender Schiedsgerichtsvertrag
zwischen England und Frankreich wird geschlossen:
Die Regierung der französischen Republik und die Regierung Sr.
britischen Majestät, beide Unterzeichner der am 29. Juli 1899 im Haag
abgeschlossenen Konvention betr. die friedliche Regelung internationaler
Streitigkeiten, haben in Anbetracht des Umstandes, daß Art. 19 dieser
Konvention den hohen kontrahierenden Parteien das Recht vorbehält, über
die Inanspruchnahme der Arbitrage in allen ihnen dazu geeignet erschei-
nenden Fällen Abmachungen zu treffen, die Unterzeichneten zur Feststellung
folgender Bestimmungen ermächtigt: Art. 1. Streitigkeiten juridischer Art
oder Differenzen, die betreffs der Auslegung bestehender Verträge zwischen
den beiden kontrahierenden Parteien etwa entstehen und auf diplomatischem
Wege keine Erledigung finden, werden dem durch die Konvention vom
29. Juli 1899 errichteten ständigen Schiedsgerichtshof im Haag unterbreitet,
jedoch ist dabei vorausgesetzt, daß die betr. Streitfragen weder vitale Inter-
essen, noch die Unabhängigkeit oder die Ehre der beiden kontrahierenden
Staaten berühren, noch die Interessen Dritter in Frage stellen. Art. 2. In
jeddem Einzelfall werden die hohen kontrahierenden Parteien, bevor sie sich
an den permanenten Schiedsgerichtshof wenden, ein Spezialabkommen treffen,
durch das der Gegenstand des Streites klar bezeichnet, die Ausdehnung der
Befugnisse der Schiedsrichter festgestellt und das bei der Konstituierung des
Europäischer Geschichtskalender. XLIV 18