Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunzehnter Jahrgang. 1903. (44)

Fr##kreig. (April 2.—7.) 283 
2. April. Die Kammer genehmigt ein Gesetz, wonach die 
Gemeinden zum Bau der Schulhäuser verpflichtet werden. — Die 
Verweltlichung des Unterrichts soll hierdurch beschleunigt werden. 
Anfang April. Rundschreiben an die Präfekten über die 
Auflösung von Kongregationen. 
Der Ministerpräsident weist die Präfekten an, darüber zu wachen, 
daß die 28 predigenden Kongregationen, deren Autorisationsgesuche von 
der Regierung und der Kammer zurückgewiesen wurden, binnen verrzehn 
Tagen aufgelöst sind. Den 25 lehrenden Gemeinschaften, die sich vergebens 
um die staatliche Anerkennung bemüht hatten, wird im Interesse ihrer 
Schüler eine etwas längere Frist zugestanden. Diejenigen, die Mittelschulen 
oder solche Primärschulen leiten, für deren Besucher nicht sofort in einer 
benachbarten öffentlichen Volksschule Platz zu schaffen ist, dürfen bis zum 
31. Juli ihre Tätigkeit fortsetzen; diejenigen unter geistlicher Leitung 
stehenden Primärschulen, für die alsbald Ersatz gefunden werden kann, 
müssen schon zu Ende des laufenden Monats geschlossen sein. — Die 
Zahl der predigenden Mönche, die sich nun irgendwo Unterkunft und 
Lebensunterhalt suchen müssen, wird auf 3040, die der lehrenden auf 
15,964 geschätzt; die Zahl ihrer Schulanstalten beträgt ca. 1600. 
Anfang April. (Bretagne.) Die Regierung verhängt über 
zahlreiche Pfarrer, die bretonisch predigen und unterrichten, die 
Gehaltssperre. Der Bischof von Ouimper ermahnt die Geistlichen, 
in ihrer bisherigen Haltung zu verharren. 
4. April. Die Kammer genehmigt mit 514 gegen 1 Stimme 
eine Vorlage, nach welcher Militärpersonen, die vor ihrem Dienst- 
antritt bestimmte Befähigungen erworben haben und sich darüber 
durch Zeugnisse von Schützen= oder Turnvereinen ausweisen können, 
einen Vorzugsanspruch auf die Beförderung zu Unteroffizieren er- 
halten sollen. 
6. April. Die Kammer genehmigt die Aufnahme einer An- 
leihe von 65 Millionen Franken für öffentliche Arbeiten in den 
Kolonien Westafrikas. (Genehmigung im Senat 3. Juli.) 
6.7. April. (Kammer.) Neue Enthüllungen in der Dreyfus- 
frage. Neue Untersuchung. 
Abg. Jaures (Soz.) bespricht anläßlich einer Wahlprüfung den 
Vorwurf, den die Nationalisten gegen das Ministerium richteten, daß es 
im Dienste des Auslandes stehe, und weist darauf hin, daß die Nationa- 
listen im Dreyfusprozeß mit Hilfe einer Fälschung sich auf die angebliche 
Unterschrift eines fremden Herrschers berufen hätten, um ihren Willen 
durchzusetzen. Hierauf verliest er einen bisher unbekannt gebliebenen Brief, 
den General Pellieux, der an dem Dreyfusproß in amtlicher Eigenschaft 
beteiligt gewesen war, nach der ersten Fälschung Henrys am 31. August 
1898 an den damaligen Kriegsminister (Cavaignac) gerichtet hatte. Der 
General schreibt darin: „Da ich von Leuten ohne Ehre getäuscht worden 
bin und selbst auf das Vertrauen meiner Untergebenen nicht mehr rechnen 
kann, andererseits auch kein Vertrauen mehr zu meinen Vorsetzten zu haben
	        
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