284 Ffr####eich. (April 10. 12./14.)
vermag, die mich auf Grund einer Fälschung vorgehen ließen, so bitte
ich um meinen Abschied.“ (Anhaltende Bewegung.) Abg. Brisson
(im August 1898 Conseilpräsident) erklärt unter dem Beifall der Linken,
daß Cavaignac, der Kriegsminister in seinem Kabinett, ihm diesen Brief
niemals zur Kenntnis gebracht habe. Zu Cavaignac gewendet: „Sie
verdienen in Anklagezustand versetzt zu werden! Sie gehören nicht mehr
zu den Republikanern! Ich wußte, daß Cavaignac schon am 14. August
von der von Henry begangenen Fälschung überzeugt war, er hat mich
aber erst am 30. August davon in Kenntnis gesetzt. Heute erst erfahre
ich etwas von dem Briefe Pellieux'. Wenn Cavaignac mich nicht benach-
richtigt hat, so ist das geschehen, weil er sich in der Zwischenzeit mit
General Mercier in Verbindung gesetzt hatte.“ (Beifall links.) Cavaignac
bestreitet, daß ihm die Fälschung schon am 14. August bekannt gewesen
sei, ebenso, daß er sich mit Mercier verständigt habe. Er stellt den Brief
General Pellieux' nicht in Abrede, erklärt aber, er (Cavaiguc) habe geglaubt,
es werde Pellieux hinterher leid tun, ihn geschrieben zu haben.
Am folgenden Tage erklärt Kriegsminister André, daß die Regierung
die Erforschung der Wahrheit in der in Rede stehenden Angelegenheit zu
fördern beabsichtige. (Bewegung.) Die Ehre der Armee sei in dieser
Angelegenheit nicht im geringsten in Mitleidenschaft gezogen. (Beifall links.)
Er habe niemals in dem Gedanken glücklich sein können, daß ein franzö-
sischer Offizier wegen des gemeinsten der Verbrechen verurteilt worden sei.
Er halte sich an das letzte Urteil des Kriegsgerichts (Beifall rechts), aber
er glaube, daß die öffentliche Meinung durch das Auftauchen gewisser, das
Verbrechen des Hochverrats mildernder Umstände ganz besonders beunruhigt
worden sei. (Beifall links.) Als Minister verstehe er die Befürchtungen,
die mehrere Mitglieder in Unruhe erhielten, und, um seinerseits zur Wahrheit
sein Teil beizutragen, lege er den Brief des Generals Pellieux vor. Der
Minister schließt, indem er sich mit einer administrativen Enquete unter
Hinzuziehung einer gewissen Anzahl von Juristen einverstanden erklärt.
(Anhaltender Beifall links.)
Abg. Cavaignac verteidigt seine Handlungsweise als Kriegs-
minister. Nach seiner Ansicht habe er den Brief des Generals Pellieux
nicht berücksichtigen dürfen. (Bewegung.) General Pellieux habe auf den
Rat des Generals Zurlinden den Brief zurückgezogen. Der Brief sei niemals
im Kriegsministerium gewesen, hätte also auch nicht verheimlicht werden können.
In der weiteren Debatte kommt es zu scharfen Auseinandersetzungen
zwischen Cavaignac einerseits, Brisson und Jaureès andererseits; nationa-
listische Redner sprechen gegen die Wiederaufrollung der Dreyfusfrage, weil
sie die Armee zerrütte. — Schließlich wird eine Resolution, in welcher
die Kammer der Regierung ihr Vertrauen ausspricht und erklärt, daß die
Dreyfusaffaire den gerichtlichen Boden nicht verlassen dürfe, mit 250 gegen
75 Stimmen angenommen.
10. April. Der Ministerpräsident ordnet in einem Rund-
schreiben an die Bischöfe an, daß die Kongregationen und die
ihnen angehörigen Geistlichen vom Predigeramte vollständig aus-
zuschließen find.
12./14. April. (Bordeaux.) Der franzöfische Sozialisten-
kongreß beschließt mit 109 gegen 89 Stimmen, daß der frühere
Handelsminister Millerand trotz seines Eintritts in ein Kabinett
Mitglied der Partei bleiben kann.