Frankreich. (November 19./24.) 293
Regierung abgegebene Erklärung: „Die Republik Panama verpflichtet sich
feierlich, ausdrücklich und definitiv, mit Achtsamkeit die französischen In-
teressen zu schützen und unter weitestgehender Interpretation der in ihnen
vorgesehenen Verpflichtungen die Verträge aufrecht zu erhalten, die vor
dem 3. November vereinbart worden sind und die, soweit sie sich auf den
Isthmus beziehen, der Uebertragung der Souveränität Columbiens auf
Panama folgen und die Republik Panama binden. Alle diese Verein-
barungen bleiben aufrechterhalten, besonders das Abkommen über die Ver-
längerung der Kanal-Konzession bis 1910“. — In der marokkanischen
Frage leugnet er entschieden jede größere Expedition ins Innere Marokkos.
In der Balkanfrage habe Frankreich nicht zuletzt auf die Mißstände
hingedeutet, die in Mazedonien schließlich zur Empörung führen mußten.
Die Pforte habe dann zu Beginn dieses Jahres das von allen Kabinetten,
also auch vom Pariser, gutgeheißene Reformprogramm Rußlands und
Oesterreich-Ungarns akzeptiert, an seiner Durchführung aber sei sie gehin-
dert worden durch den vereinten Widerstand ihrer Beamten, eines Teils
der Bevölkerung und der Revolutionäre, die durch unerhörte Grausam-
keiten viele friedlich gesinnte Mazedonier gezwungen hätten, sich der In-
surrektion anzuschließen. Nun verlangten die beiden, in der mazedonischen
Angelegenheit führenden Großmächte ausreichende Garantien für die Ver-
wirklichung ihrer Reformvorschläge, und die Pforte würde sich in schweres
Unrecht setzen, wenn sie nicht rückhaltlos die Kontrolle Oesterreich-Ungarns
und Rußlands annehmen wollte. Frankreich müsse und werde Rußland
und Oesterreich-Ungarn in der Ausführung des von ihnen aufgestellten Re-
formprogramms jederzeit unterstützen. — Was Siam angehe, so sei die
Regierung gezwungen gewesen, die Verhandlungen mit demselben von
neuem zu eröffnen, da die siamesische Regierung zeige, daß sie in den
Geist der Konvention von 1902 nicht genügend eingedrungen sei. — Der
französisch-englische Schiedsgerichtsvertrag sei eine Folge der Umwälzung,
welche in den Ideen seit der Haager Konferenz eingetreten sei. Man dürfe
die Tragweite des Schiedsgerichtsvertrages jedoch nicht überschätzen und
nun nicht etwa folgern, daß er auf alle Fragen Anwendung finden werde.
Es würde mit dem Schiedsgericht an dem Tage zu Ende sein, wo eine
große Nation ihre Interessen oder noch mehr ihre Ehre von der Meinung
eines Dritten abhängig sehen würde. (Lebhafter Beifall). — Der Zar habe
das französisch-italienische Einvernehmen mit Genugtuung begrüßt. — Die
Reise des Präsidenten Loubet nach Rom habe eine große politische Bedeutung.
Die Regierung habe sich mit ihr jedoch noch nicht zu beschäftigen; die
Kammern würden jedenfalls rechtzeitig angerufen werden, um ihre Meinung
kundzugeben.
In der Debatte protestiert Abg. Constans (Soz.) gegen die von
Delcassé betonte Unmöglichkeit abzurüsten. Er sei natürlich gegen die 1870
erfolgte Verstümmelung Frankreichs, aber er habe das Recht, von einer
internationalen Verständigung die Rückgabe Elsaß-Lothringens an Frank-
reich zu erwarten. — Eine den Erklärungen der Regierung beipflichtende
Tagesordnung wird mit 490 gegen 66 Stimmen angenommen.
19./24. November. (Senat.) Unterrichtsvorlage. Combes
und Waldeck-Roufseau über Unterrichtsfreiheit.
Sen. Delpech beantragt im Einverständnis mit der Regierung, daß
das Verbot Sekundär--Unterrichtsanstalten zu leiten oder in solchen zu
unterrichten, auf alle Kongregationen, auch auf die autorisierten, ausgedehnt
werde. Ministerpräsident Combes: die Unterrichtsfreiheit sei kein natür-
liches Recht. Die kongreganistische Gefahr habe eine im Jahre 1895 ver-