312 Bie Römische Kurie. (August 9.—November Anfang.)
9. August. Krönung des Papstes in der Peterskirche.
3. Oktober. Der Papst veröffentlicht seine erste Enchklika.
Im Eingang gedenkt Pius X. zunächst seiner Wahl zum Payste.
Er habe unter Tränen und inbrünstigen Gebeten seine Erwählung zu ver-
meiden gesucht, da er sich dieser Ehre unwert fühlte und ihn der Gedanke
tief bewegt habe, Nachfolger desjenigen Papstes werden zu sollen, der
26 Jahre hindurch die Kirche in höchster Weisheit und erhabener Einsicht
und im Glanze so vieler Tugenden gelenkt hatte. Er sei auch besonders
durch die höchst verhängnisvollen Vorfälle in der bürgerlichen Gesellschaft
erschreckt gewesen; mehr noch als in der Vergangenheit sei, wie er finde,
die Gesellschaft von einer sehr tief gehenden Unzufriedenheit erfüllt, die
immer mehr um sich greife und sie dem Verderben zuführe. Er habe sich
aber dem Willen Gottes im Vertrauen auf seine Hilfe gefügt. Für sein
Pontifikat gebe es kein anderes Programm als das Ziel, alles zu Christus
wieder zurückzuleiten, so daß Christus alles in allem sei. Der eine oder
der andere werde in seiner (des Papstes) Seele geheime Bestrebungen zu
entdecken suchen, die auf weltliche Ziele und Parteiwünsche zurückzuführen
seien. Er erkläre daher, um jeder nichtigen Erwartung vorzubeugen, daß
er gegenüber der menschlichen Gesellschaft nur der Diener Gottes sein wolle
und sein werde, denn dessen Willen auszuführen, sei er in sein hohes Amt
eingesetzt worden. Die Enzyklika appelliert sodann an die Mitarbeit der
Bischöfe und beklagt, daß gegenwärtig überall gegen Gott angekämpft
werde. Die Gesellschaft müsse an die Kirchenzucht erinnert und die Christen
müssen belehrt werden. Man müsse der Erziehung der Jugend, besonders
der für den geistlichen Beruf bestimmten, spezielle Sorgfalt zuwenden. Er
wünsche, daß in den Städten und auf dem Lande immer mehr katholische
Vereine erstehen und Vorbilder christlichen Lebens werden möchten. Die
Werke der Nächstenliebe müßten ohne Rücksscht auf die Person und ohne
Hinblick auf irdische Vorteile ausgeübt werden. Wenn alles auf Christus
zurückgelenkt werde, würden die Vornehmen und Reichen gerecht und lieb-
reich gegen die Niederen sein und diese wieder würden mit Ruhe und
Geduld auch die größten Nöte ertragen. Die Bürger werden dann sich
der Willkür enthalten, aber den Gesetzen gehorchen und Achtung und Liebe
gegenüber den Obrigkeiten als ihre Pflicht betrachten. Dann werde es
schließlich auch offenkundig werden, daß die von Christus eingesetzte Kirche
die völlige Unabhängigkeit von jeder äußeren Herrschaft genießen müsse.
Indem diese Freiheit gefordert werde, würden nicht nur die heiligen Rechte
der Religion gewahrt, sondern es werde dann auch für das allgemeine Wohl
und die Sicherheit der Völker gesorgt.
19. Oktober. Der Papst ernennt den Msgr. Merry del Val,
den Sekretär des Konklave, zum Staatssekretär.
Anfang November. Nach einem Bericht des französischen
Schriftstellers Des Houx im „Matin" (9. November) hat der Papst
in einer Unterredung mit ihm die Lage der deutschen und franzö-
sischen Katholiken verglichen:
In Frankreich hat man eine Politik eingeleitet, die ich als eine
gottesmörderische bezeichnen möchte, denn indem man die Gläubigen be-
drängt, zielt man auf Christus ab, dessen Demütigung man nun an der
Kirche erneuerte. Die Gläubigen müssen sich deshalb in vollster Eintracht
in Christus zusammenscharen; durch den geringsten Zwischenfall geben sie