338 Rußland. (Mai Anfang—Juni 7.)
Anfang Mai. Ein Rundschreiben des Ministers des Aus-
wärtigen an die Vertreter im Auslande legt die Mandschurei-
frage dar.
Nach einem Rückblick auf die seit 1900 ruffischerseits in der Mand-
schurei ausgeführten kulturellen Arbeiten zählt die Note die Bedingungen
auf, unter denen gleichzeitig mit der Herstellung der Bahnlinie auch die
ur Sicherheit der Strecke erforderlichen Befestigungen von Liao--Joung am
aluflusse errichtet wurden. Alle diese Arbeiten haben Sonderverträge
mit China zur Grundlage. Für die Sicherheit und Integrität Chinas,
sowie für dessen Außenhandel seien diese Werke von unschätzbarem Werte.
Rußland denke nicht daran, alle Vorteile dieser neuen Schöpfung für seine
Interessen zu beschlagnahmen. Die handeltreibenden Mächte beider Erd-
teile würden unter den denkbar günstigsten Bedingungen davon Nutzen
ziehen. Unter solchen Umständen müsse es in Anbetracht der Wichtigkeit
der russischen Schöpfung jeder loyale Beurteiler begreiflich finden, daß die
beschlossene Räumung Niutschwangs mit der Dauer versprechenden Rege-
lung aller Verkehrs- und Sicherheitsfragen in Zusammenhang steht.
Anfang Mai. (Rostow.) Unter der Arbeiterbevölkerung
werden sozialdemokratische Aufrufe und Aufforderungen zu Unruhen
verbreitet. Es werden militärische Vorkehrungen getroffen. Auch
in anderen Distrikten häufen sich die Unruhen; in Petersburg und
Moskau finden zahlreiche Verhaftungen statt.
20. Mai. (Ufa.) Der Generalgouverneur Bogdanowitsch
wird auf einem Spaziergang erschossen.
Mai. Die Truppen in Niutschwang und Port Arthur wer-
den verstärkt.
Mai. Die Kommission zur Erörterung der Bedürfnisse der
Landwirtschaft schlägt Verbesserung der landwirtschaftlichen Statistik
und der Verkehrsverhältnisse vor. (Vgl. 1902 S. 358.)
29. Mai. Die Stadt Petersburg feiert ihr zweihundert-
jähriges Bestehen in mehrtägigen Festen. Zahlreiche Vertreter des
Auslandes, darunter die Oberbürgermeister von Berlin und Mün-
chen, Vertreter der Gemeindeverwaltung von Paris, sind anwesend.
4. Juni. Modifikation der Rechtslage der Juden.
Der Kaiser genehmigt den Beschluß des Ministerkomitees, bis zur
Revision der Gesetze über die Juden auf dem Wege der Gesetzgebung in
und außerhalb der in der Ansässigkeitszone liegenden Gouvernements den
Juden Erwerb von Land und Immobilien sowie die “3 derselben
zu verbieten. Dagegen soll der jüdischen Bevölkerung gestattet sein, sich in
den in ihrer Ansässigkeitszone gelegenen Ortschaften anzusiedeln, welche in-
folge ihrer industriellen Entwicklung den Charakter von Städten annehmen,
und dort Immobilien zu erwerben. Solcher Ortschaften gibt es bisher 101.
7. Juni. Polnischer Religionsunterricht.
Der Minister für Volksaufklärung wird durch ein kaiserliches Hand-
schreiben angewiesen, mit Beginn des neuen Lehrjahres an allen Mittel-