340 Rußland. (Juni—Juli Mitte.)
Juni. Belebung des Verkehrs mit dem Persischen Golf.
Der Oberdirigierende der Handelsschiffahrtshäfen, Großfürst Alexander
Michailowitsch schließt mit der Gesellschaft für Dampfschiffahrt und Handel
in Odessa einen Vertrag über die Einrichtung eines regelmäßigen Ver-
kehrs mit den Häfen des Persischen Golfes. Danach stellt die russische
Regierung der genannten Gesellschaft auf zwölf Jahre, von 1903 an ge-
rechnet, eine jährliche Subvention von 200,000 Rubeln zur Verfügung.
Ferner sollen die Abgaben für die Durchfahrt durch den Suezkanal der
Odessaer Gesellschaft von der russischen Regierung zurückerstattet werden.
Juli. Sorge für die Schuldisziplin.
Ein Rundschreiben des Ministers für Volksaufklärung an die Kura-
toren der Lehrbezirke richtet die Anfmerksamkeit derselben auf das Sinken
der Disziplin an den Mittelschulen und teilweise auch an den Stadtschulen.
Er weist hierbei auf Fälle der offenen Auflehnung gegen die Schulobrig-
keit und der regierungsfeindlichen Propaganda seitens Schüler höherer
Klassen hin. Der Minister gibt dem Lehrpersonal zugleich Verwaltungs-
vorschriften, bei welchen betont ist, daß der Disziplinlosigkeit nicht allein
mit Repressivmaßregeln entgegengetreten werden müsse, sondern außer der
korrekten Haltung des Lehrpersonals sei dazu auch ein beständiges Ein-
wirken desselben auf die religiös-sittliche Erziehung der Schüler erforderlich.
Mitte Juli. Ein Ukas befiehlt die Aufhebung der schweren
Körperstrafen gegen die Sträflinge in den Bergwerken und Zucht-
häusern. Die Knute, das Anschmieden an den Schiebekarren und
das Abrasieren der rechten Hälfte des Kopfhaares werden ab-
geschafft.
Mitte Juli. Die „Nowoje Wremja“ warnt Japan, einen
Krieg mit Rußland zu provozieren.
Für Japan bestehe die Alternative: entweder Verzicht auf alle
kriegerischen und agressiven Pläne und Pflege freundschaftlicher Bezieh-
ungen zu Rußland, oder Krieg mit Rußland. Offenbar sei der erstere
Entschluß vorzuziehen: der Verzicht auf die Bestrebungen, sich auf dem
Kontinent festzusetzen, würde fofort die ungeheuren militärischen Ausgaben
unnütz machen, da Japan infolge seiner insularen Lage die Möglichkeit
habe, sich auf den Unterhalt einer ganz kleinen Landarmee und einer
Küstenverteidigungsflotte zu beschränken; dieser Verzicht führe zu einem
völligen Einvernehmen mit Rußland, welches die kommerzielle und indu-
strielle Tätigkeit der Japaner wesentlich erleichtern müsse. Rußland habe
Japan die Märkte verschafft, die es dringend brauche, Rußland habe Japan
Europa näher gebracht, Rußland habe es zugelassen, daß Japan seinen Einfluß
in Korea sehr bedeutend vermehrte. Was aber könne Japan von einem
Kriege erwarten, da es trotz des Machtgefühls seiner Bürger Rußland
doch nicht gewachsen? Die insulare Lage, die seine Defensive gewaltig
stärke, werde bei einem Angriffskriege zu einer Quelle der Schwäche, denn
selbst in dem zweifelhaften Falle, daß eine japanische Landung am korea-
nischen oder russischen Ufer gelänge und die Operationen unserer Flotte
paralysiert würden, müßte doch die Lage des japanischen Landungskorps
mit jedem Tage unhaltbarer werden, bis es schließlich von unseren ver-
stärkten Truppen ins Meer geworfen werde. Die Hoffnungen auf Eng-
land seien trügerisch: dieses würde entweder strenge Neutralität wahren
oder sich auf die Verteidigung Indiens beschränken. Die Schwäche der