Türkei. (Dezember 8.) — Bulzarien. (Januar 2.—Februar 17.) 353
den, an deren Durchführung die Pforte in loyaler Weise festhält. Die
bose Pforte erklärt, sie nehme im Prinzip die neuen in dem Memorandum
aufgezählten Punkte an, behält sich jedoch vor, über deren Inhalt noch in
Verhandlungen einzutreten, sich über die Einzelfragen ihrer Anwendung
zu verständigen und den ersten und zweiten Punkt des Programms mit
der Unabhängigkeit, den Souveränitätsrechten und dem Prestige der Re-
gierung in Einklang zu bringen.
8. Dezember. (Konstantinopel.) ÖOsterreich-Ungarn und
Rußland ernennen zu Zivilagenten für Makedonien den öster-
reichisch-ungarischen Generalkonsul v. Müller und den ruffischen
Generalkonsul Demeric.
2. Bulgarien.
2. Januar. Die Regierung kündigt den Handelsvertrag mit
Osterreich--Ungarn.
14. Februar. Die Regierung löst mehrere revolutionäre
makedonische Komitees auf und verhaftet ihre Führer. An der
Grenze wird ein Militärkordon aufgestellt, um den übergang bul-
garischer Banden auf türkisches Gebiet zu verhindern. — Diese
Haltung wird in österreichischen und russischen offiziösen Blättern
lebhaft belobt.
17. Februar. (Sobranje.) Ministerpräsident Danew er-
widert auf eine Interpellation wegen der Auflösung der makedo-
nischen Komitees:
Er habe zur Auflösung der Komitees sich entschlossen, um die wich-
tigsten Interessen des bulgarischen Staatswesens zu wahren. Das Fürsten-
tum dürfe kein Herd für Unruhen in Makedonien sein. Bulgarien sei ein
kleiner Staat und die Lösung der makedonischen Frage hänge nicht von
ihm ab; es müsse eine Haltung einnehmen, durch welche es sich den Rechts-
anspruch sichere, von den Mächten eine Besserung der den Frieden bedro-
henden Lage in dem Nachbarreiche zu fordern. Das Bestreben Bulgariens
müsse darauf gerichtet sein, daß die Großmächte die Lösung der makedoni-
schen Frage ihrerseits in die Hand nehmen. Wir haben, so führte der
Minister aus, nicht die Absicht, in Makedonien Eroberungen zu machen,
und werden vielmehr glücklich sein, wenn in diesem Land die Ordnung
wiederhergestellt ift und wenn unseren dort lebenden Stammesgenossen die
Menschenrechte verbürgt werden. In dem Augerblicke, da die Mächte an
der Einführung von Reformen arbeiten, verpflichtet uns der elementarste
politische Takt, die Ruhe zu bewahren, ja, wir müssen durch unsere loyale
Haltung die Makedonier in der Richtung beeinflussen, daß sie sich nicht
etwa von dem Gedanken sich leiten und verleiten lassen, Bulgarien könnte
an ihren Bewegungen teilnehmen. In dieser Hinsicht werden wir bis zum
letzten Augenblick unsere Pflicht tun. Mögen alle diejenigen, welche auf
die Makedonier einen Einfluß ausüben können, diese davon überzeugen,
daß es in ihrem eigenen Interesse liegt, unter den gegenwärtigen umstäldden
ruhig zu bleiben und durch ihr ruhiges Verhalten sowohl den Mächten
als auch der Türkei zur Verwirklichung der geplanten Reformen die Mög-
Europäischer Geschichtskalender. XLIV. 23