Buigarien. (Juli 24. —September.) 355
note widerlegt und erklärt wird, daß der Zweck aller bisherigen maßvollen
militärischen Vorkehrungen die Unterdrückung des fortdauernden Banden-
unwesens sei und daß die Pforte keine kriegerischen Absichten hege.
Mitte Juli zeigt die Pforte der bulgarischen Regierung an, daß sie
zur Verbesserung der Beziehungen hwischen der Türkei und Bulgarien be-
schlossen habe, einige gegen das Bandenunwesen getroffene Maßnahmen
aufzuheben, die in Haft befindlichen verdächtigen Bulgaren in Freiheit zu
setzen; einen Teil der an der Grenze befindlichen türkischen Truppen zurück-
zuziehen, die Ilave-Bataillone zu verabschieden, die Wiedereröffnung der
geschlossenen Kirchen und Schulen zu gestatten und einige Wünsche Bul-
gariens betreffend Kirche und Schule zu erfüllen. Die bulgarische Regierung
erklärt, daß es stets ihr Wunsch gewesen sei, in freundschaftlichen Bezie-
hungen zur türkischen Regierung zu stehen. Die militärischen Maßnahmen
der bulgarischen Regierung werden aufgehoben.
24. Juli. Fürst Ferdinand reist ins Ausland. — In Europa
wird vielfach der Ausbruch einer Revolution in Bulgarien erwartet.
August. September. Bulgarische Schilderungen der make-
donischen Vorgänge.
Im August richtet die bulgarische Regierung eine Denkschrift an
ihre Vertreter im Auslande, worin die türkischen Behörden für den Auf-
stand in Makedonien verantwortlich gemacht werden. Es heißt darin:
Im Laufe der letzten drei Monate hat die kaiserlich ottomanische
Regierung, anstatt die versprochenen Reformen durchzuführen, Maßregeln
ergriffen und Akte begangen, welche die bulgarische Bevölkerung zur Ver-
zweiflung trieben. Anstatt nur diejenigen Individuen zu verfolgen, welche
die Ordnung und öffentliche Sicherheit tatsächlich gestört haben, haben die
türkischen Verwaltungs- und Militärbehörden die bulgarische Bevölkerung
der Städte wie der Dörfer unter allerlei Vorwänden verfolgt, terrorisiert
und ruiniert. Massenmetzeleien und einzelne Morde, Zerstörung ganzer
Ortschaften, Plünderung, Brandstiftung, willkürliche Verhaftungen, Schließung
von Kirchen und Schulen, vorherige Einhebung von Steuern und Militär-
befreiungstaxen u. s. w. sind in den Vilajets von Salonichi, Monastir,
Uesküb und Adrianopel an der Tagesordnung gewesen. .
Am 10. September versendet das makedonische revolutionäre Zen-
tralkomitee eine Denkschrift, worin behauptet wird, daß 45000 Greise,
Frauen und Kinder von den Türken obdachlos gemacht seien, daß die
Türken systematisch Repressalien an der friedlichen Bevölkerung übten, um
die Christen auszurotten. Die Makedonier würden deshalb an den Muham-
medanern Vergeltung üben. »
Am 16. Septembee veröffentlicht die Wiener „Polit. Korresp.“ den
Inhalt eines Rundschreibens an die bulgarischen Vertreter im Auslande:
„Die bulgarische Regierung erhebt gegen die Pforte den Vorwurf,
daß sie auf Vernichtung der bulgarischen Bevölkerung in den europäischen
Vilajets hinarbeite und dabei andrerseits alle Vorkehrungen treffe, um die
türkische Armee so rasch als möglich an der bulgarischen Grenze konzen-
trieren zu können. Dies berechtigt zu der Annahme, daß die ottomanische
Regierung beabsichtige, im geeigneten Augenblicke eine militärische Aktion
gegen das Fürstentum zu unternehmen. Die Lage sei geeignet, schließlich
einen bewaffneten Konflikt zwischen dem Fürstentum und der Pforte her-
beizuführen, falls die Großmächte nicht bei der Pforte Ratschläge der
Klugheit und Mäßigung geltend machen. Die bulgarische Regierung fühle
sich verpflichtet, an die Gerechtigkeit und Humanität der Mächte zu appel-
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