Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunzehnter Jahrgang. 1903. (44)

Serhien. (Juni 11. 15.) 359 
Ministerium Wujitsch stattfanden stimmten von 207 773 Stimmberechtigten 
134 400 für die Listen der damaligen Regierung. 
11. Juni. (Belgrad.) Ermordung des Königspaares. 
Verschworene Offiziere der Belgrader Garnison dringen nachts in 
den Konak und ermorden das Königspaar. Außerdem werden die Brüder 
der Königin, der Ministerpräsident Zinzar Markovic, der Kriegsminister 
Pawlowic und mehrere Offiziere erschossen. — Es wird sogleich folgendes 
Ministerium gebildet: Jowan Awakumovic Ministerpräsident ohne Porte- 
feuille, Llubomir Kaljevic Minister des Aeußern, Stojan Protic Minister 
des Innern, Georg Gentschic Handelsminister, General Jowan Atanazkovic 
Kriegsminister, Dr. Wojislaw Welikovic Finanzminister, Oberst Alexander 
Machios Minister für Bauten, Professor Ljubomir Stojanovic Kultus- 
minister, Liubomir Schiwkovic Justizminister. 
Das Ministerium erläßt folgenden Aufruf: Verschiedene Zwistig- 
keiten, welche sich am Hofe ereignet haben, haben die Intervention der 
Armee und einen Konflikt hervorgerufen, in welchem König Alexander 
und Königin Draga den Tod gefunden haben. Zum Zwecke der Aufrecht- 
erhaltung des Friedens und der Ordnung im Lande in diesem traurigen 
und schwierigen Augenblicke haben sich die Vertreter aller politischen Gruppen 
verständigt und eine provisorische Regierung gebildet, damit der verfassungs- 
mäßige Zustand, wie er vor dem 23. März bestand, wiederhergestellt werde. 
Sie haben beschlossen, die Nationalversammlung, welche unter Geltung der 
Verfassung vom 6. April 1901 gewählt wurde, zu einer Sitzung einzube- 
rufen. Die Nationalversammlung wird zur Wahl eines Souveräns schreiten 
und andere Beschlüsse, welche die gegenwärtige innere Lage erheischt, fassen. 
Nach den bis jetzt von den militärischen und Zivilbehörden erhaltenen 
Nachrichten ist die Ruhe im Lande nirgends gestört worden. Die Regie- 
rung wird bestrebt sein, dieselbe aufrecht zu erhalten. Die Regierung ist 
überzeugt, daß, indem sie in der Weise handelt, sie dem neuen Zustaod 
der Dinge die Sympathie aller europäischen Mächte sichern wird. 
Die Belgrader Bevölkerung begrüßt die Ereignisse mit Befriedigung. 
15. Juni. Zusammentritt der Nationalversammlung. Er- 
klärung über den Königsmord. Wahl Karageorgs. 
In einer gemeinsamen Sitzung des Senats und der Skupschtina 
erklärt die Regierung, sie habe es für ihre erste hervorragendste Pflicht 
gehalten, für die Aufrechterhaltung von Ruhe, Ordnung und Gesetzlichkeit 
im Lande zu sorgen, die Nationalversammlurg für die Königswahl einzu- 
berufen und die Verfassung von 1901 wieder in Kraft treten zu lassen. 
Die Regierung stellt mit Befriedigung fest, daß sie, unterstützt von der 
selbstbewußten Haltung der Nation und der patriotischen heldenmütigen 
Armee, die Ordnung im Lande aufrecht erhielt. Ueberzeugt, daß sie damit 
dem Vaterlande gegenüber in so ernster Zeit ihre Pflicht erfüllte, überläßt 
die Regierung der nationalen Volksvertretung die Beurteilung der Ereig- 
nisse vom 11. Juni und ihrer Tätigkeit seit diesen Ereignissen und lädt 
die konstitutionelle Nationalversammlung ein, auch ihrerseits ihre Pflicht 
zu erfüllen, die Königswahl vorzunehmen und Verfügungen über die Ver- 
fassung zu treffen. Sie wünscht, daß die Tätigkeit der Nationalversamm- 
lung dem Vaterlande Glück und Fortschritt bringe. — Die Nationalver- 
sammlung erwidert in einer Resolution, sie begrüe mit Begeisterung die 
durch die Ereignisse vom 11. Juni geschaffene neue Lage. Sie bringe die 
völlige Uebereinstimmung der Gefühle des Volkes und des Heeres zum 
Ausdrück und billige das Verhalten des Heeres, das der Hort des Vater-
	        
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