Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunzehnter Jahrgang. 1903. (44)

30 Das Denisqe Reiqh und seine einjelnen Glieder. (Jan. 29. —Febr. 1.) 
29. Januar. (Reichstagswahl.) Bei der Ersatzwahl in 
Schleswig-Eckernförde erhält Spethmann (fr. Vp.) 5124, Hoffmann 
(Soz.) 4480, Graf Reventlow (Bd. d. Low.) 3231, Hansen (nl.) 
2952 Stimmen. In der Stichwahl (9. Februar) erhält Speth- 
mann 7383, Hoffmann 5277 Stimmen. 
31. Januar. Der Reichstag genehmigt das Abkommen 
mit der Schweiz über den gegenseitigen Patent-, Muster= und 
Markenschutz. 
31. Januar. Der Reichstag genehmigt in zweiter Beratung 
den Gesetzentwurf über die gewerbliche Kinderarbeit und fordert in 
einer Resolution die Veranstaltung einer Enquete über landwirt- 
schaftliche Kinderarbeit. 
31. Januar. Das Preußische Abgeordnetenhaus be- 
spricht die Schulverhältnisse in Trakehnen (vgl. 1902 S. 158). Die 
Freifinnigen und Nationalliberalen richten scharfe Angriffe gegen 
die Gestütsverwaltung, die Rechte und der Landwirtschaftsminister 
verteidigen sie. 
Januar. (Preußen.) Ostmarkenfragen. 
In der Oeffentlichkeit werden die gesellschaftlichen Zustände unter 
den Deutschen der Provinz Posen lebhaft diskutiert. Den Anlaß gibt der 
Selbstmord des Landrats v. Willich in Birnbaum. Er war mit dem 
Führer des Bundes der Landwirte, Major Endell, in Konflikt geraten 
und nach Behauptung der meisten deutschen Blätter vom Oberpräsidenten 
v. Bitter nicht unterstützt worden. Es wird lebhaft über diese Zwistig- 
keiten, die vielfach den Agrariern und der Schwäche des Oberpräsidenten 
schuld gegeben werden, geklagt. 
1. Februar. (Berlin.) Staatsminister a. D. Rudolf v. Del- 
brück, bis 1876 Präsident des Reichskanzleramts, fast 86 Jahre 
alt, f. (Vgl. Deutsche Rundschau, Juli 1903.) 
Februar. Die „Grenzboten“ veröffentlichen folgenden Brief 
des Kaisers, in dem er sein Glaubensbekenntnis formuliert: 
Mein lieber Hollmann: Mein Telegramm an Sie wird Ihnen die 
Zweifel behoben haben, welche Sie bezüglich des Schlußpassus des Vor- 
trages noch gehegt haben. Er ist vollkommen klar von den Zuhörern ver- 
standen worden und mußte daher so bleiben. Es ist Mir aber sehr lieb, 
daß durch Ihre Anfrage die Materie des zweiten Vortrages nochmal an- 
geschnitten ward, und Ich ergreife gern diese Gelegenheit, nach Durchlesen 
des Abzuges nochmals Meine Stellung ganz klar zu präzisieren. Während 
einer Abendgesellschaft bei uns hatte Professor Delitzsch Gelegenheit, mit 
Ihrer Majestät der Kaiserin und General-Superintendent Dryander ein- 
gehend mehrere Stunden zu konferieren und zu debattieren, wobei Ich 
Mich zuhörend und passiv verhielt. Er verließ dabei leider den Stand- 
punkt des strengen Historikers und Assyriologen und geriet in theologisch- 
religiöse Schlüsse und Hypothesen hinein, welche doch recht nebelhaft oder 
gewagt waren. Als er aber auf das Neue Testament kam, wurde es bald
	        
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