380 Mittel- und Lüd-Amerik# (Mai—August.)
politische Streitigkeiten ausgesetzt sind. Weder ansässige noch durchreisende
Fremde haben irgendwelche Berechtigung, diplomatische Wege zu betreten,
es sei denn, daß sie zuvor alle gesetzlichen Mittel vor den zustehenden Be-
hörden erschöpft haben, und daß deutlich ersichtlich ist, daß eine Rechts-
verweigerung oder eine offenbare Ungerechtigkeit oder eine klar zu Tage
tretende Verletzung der Prinzipien des internationalen Rechtes vorliegt.
Die Bildung von Gesellschaften irgendwelcher Art ist definitiv verboten,
falls diese Gesellschaften nicht ihr Domizil oder ihren Hauptsitz im Lande
haben. Ausländer haben, wie Venezolaner, das Recht auf Schadenersatz-
ansprüche gegen die Nation für irgendwelche Verluste oder Schädigungen,
die ihnen in Kriegszeit durch die gesetzlich eingesetzten Zivil- und Militär-
behörden zugefügt wurden, vorausgesetzt, daß die genannten Behörden in
ihrem Charakter als politische Behörden handelten. Die Ausländer sollen
diese Forderung aber nur auf dem Wege machen können, den die interne
Gesetzgebung für die Feststellung des Verlustes und Schadens und für die
richtige Abmessung desselben vorgeschrieben hat. Weder Ausländer noch
Venezolaner können gegen die Regierung von Venezuela auf Entschädigung
für Verluste klagen, sofern diese Verluste durch revolutionäre Agenten oder
bewaffnete Banden im Dienste der Revolution verursacht wurden. Sie
sollen aber das Recht haben, ein persönliches Verfahren gegen die Urheber
des Verlustes oder der erlittenen Entschädigung einzuleiten.
Mai. (Chile.) Ausstand und Unruhen in Valparaiso;
der Belagerungszustand wird verhängt.
Mitte Mai. Abkommen zwischen Brafilien und Bolivia
über das Acregebiet.
Brasilien behält die polizeiliche Aufsicht und Verwaltung im größten
Teile des Acregebiets. Die Staatseinnahmen (Ausfuhrzoll für Kautschuk)
werden hinterlegt und nach Beilegung des Streites, bezw. nach dem Schieds-
spruch verteilt. Die bolivischen Truppen bleiben am Rio Orton, einem
nördlichen Zuflusse des Madre de Dios, die brasilischen am Rio Aburina,
einem Zuflusse des Madera, stehen. Es wird ein Waffenstillstand auf vier
Monate geschlossen. Haben die Verhandlungen in dieser Zeit zu keinem
Uebereinkommen geführt, so soll die Streitfrage dem Haager Schiedsgericht
unterbreitet werden.
22. Mai. (Buenos Aires.) Eine chilenische Abordnung,
die den Freundschaftsvertrag zwischen Chile und Argentinien über-
reicht (1902 S. 319, 20), wird glänzend empfangen.
19. August. (Kolumbien.) Der Senat lehnt einstimmig
den Vertrag mit den Vereinigten Staaten über den Bau des
Panamakanals ab.
August—November. Revolution in Kolumbien. Losreißung
Panamas.
In Panama bricht wegen der Ablehnung des Kanalvertrags eine
Rebellion aus. (Ende August.) — Anfangs November erklärt sich Panama
zur unabhängigen Republik, die von den Vereinigten Staaten am 6. No-
vember anerkannt wird. Die meisten Großmächte erkennen sie in den
nächsten Wochen ebenfalls an. — Auf die Nachricht, daß Kolumbien An-
stalten zur Wiedereroberung Panamas trifft, landen die Vereinigten Staaten
Truppen in Colon, der Hauptstadt Panamas. (Anfangs Dezember.)