Mebersicht der volitischen Entwichelnns des Jahres 1903. 403
Macht, sollte nach der Behauptung eines franzöfischen Sozialisten-
führers eine große Operation planen, um Marokko unter sein Pro-
tektorat zu stellen. Die Regierung hat solche Absichten zwar ab-
geleugnet, aber deutlich ausgesprochen, daß Frankreich in Marokko
eine bevorzugte Stellung vor den übrigen Mächten einnehmen
müsse. Ob darüber Verhandlungen mit den Mittelmeermächten
stattgefunden haben, ist unbekannt; daß England zum mindesten
seine Einwilligung dazu gegeben habe, ist gelegentlich der gegen-
seitigen Besuche der beiden Staatsoberhäupter und mehrerer Parla-
mentarier hier und da behauptet worden. Ob und wie die marok-
kanische und ostasiatische Frage einander beeinflussen, steht dahin.
An allen diesen Fragen war das Deutsche Reich außer
an der venezolanischen nur mittelbar beteiligt, und von sonstigen
auswärtigen Konflikten hatte es nur einen kommerziellen Streit
mit Kanada durchzufechten. Die Handelsbeziehungen zu Großbritan-
nien und seinen Kolonien wurden bis 1898 geregelt durch den
Meistbegünstigungsvertrag. Als er dann von England gekündigt
worden war, wurde alljährlich ein Provisorium abgeschlossen, das
aber nur England band und den Kolonien freistellte, das Meist-
begünstigungsverhältnis aufzugeben. Von diesem Rechte machte
Kanada Gebrauch und gewährte dem Mutterlande Vorzugszölle
gegenüber dem Auslande bis zur Höhe von 33 1/%. Infolge
dieser Benachteiligung Deutschlands gegen England wurde in Deutsch-
land der Generaltarif, der höhere Sätze enthält als der Konventional-
tarif mit England, auf die Einfuhr aus Kanada angewendet. Diese
Vergeltungsmaßregel Deutschlands veranlaßte Kanada zu einem Zu-
schlagszoll auf deutsche Waren (S. 369), und die englische Regierung
protestierte in Berlin gegen die höhere Belastung der kanadischen
als der übrigen kolonialen Einfuhr. Die deutsche Regierung hat
hierauf mit der unanfechtbaren Erklärung geantwortet, daß, solange
Kanada seine eigene Zollpolitik gegenüber dem Mutterlande und
Auslande verfolge, es auch als besonderes Zollgebiet behandelt
werden müsse (27. Juni; vgl. Staatsarchiv Bd. 69). Die Ange-
legenheit ist noch nicht abgeschlossen; einstweilen hat Deutschland
den Generaltarif aufrecht erhalten, weitere Zuschläge oder Straf-
maßregeln aber vermieden, und damit den Beifall fast sämtlicher
267