38 Jes Venische Reich und seine rinzelnen GElieder. (Februar 6.)
dazu (17. Februar): „Das ist ja fast der Stil der „Kölnischen Volkszeitung“;
nun fehlt nur noch, daß das führende Blatt der deutschen Konservativen
ein Sammelbecken für die unschuldigen Kindlein von Wreschen aufstellt.“
Am 24. Februar schreibt ein Posener Geistlicher in der „Täglichen
Rundschau“: „Es mag heutzutage nicht opportun sein, aber im Interesse
der Sache ist es nötig, es offen auszusprechen, daß die großen Hoffnungen,
die man jetzt auf eine germanisatorische Tätigkeit der Schule setzt, eitle
Illusionen sind. Es ist sogar ein eigentümliches Verhängnis, daß die
Volksschule, gerade je treuer sie arbeitet, desto mehr das Polentum fördert.
Denn sie macht die polnische Jugend zweisprachig und verschafft ihr da-
durch einen großen Vorsprung vor der deutschen, die aus allen Gebieten
der Industrie, des Handwerks, der Technik und sogar aus den Bureaus
der Beamten immer mehr verdrängt wird. Ja, wenn den polnischen Kin-
dern zugleich mit der deutschen Sprache auch deutsche Gesinnung eingeflößt
würde, dann möchte man sich's gefallen lassen. Aber wo soll denn die
herkommen? Die haben ja die polnischen Lehrer selbst nicht, und sie
bilden weitaus das Gros der hiesigen Lehrerschaft. Leute, wie jener
Koralewski in Wreschen, der, obwohl Pole von Geburt, sich aufrichtig als
Deutschen bekennt, sind weiße Raben. Zwei Drittel der hiesigen Lehrer
sind stramme Polen und machen auch gar kein Hehl daraus. Wer von
ihnen eine germanisatorische Tätigkeit erwarten wollte, der müßte ein un-
heilbarer Optimist sein.“ — In weitaus dem größten Teile der bürgerlichen
Blätter wird die Regierung aufgefordert, auf dem eingeschlagenen Wege
zu verharren; die einzelnen Vorgänge werden sehr verschieden beurteilt.
6. Februar. (Reichstag.) Etat des Reichskanzlers. Zucker-
konvention. Burenfrage.
Abg. Rösicke-Kaiserslautern (Bd. d. Ldw.) kritisiert die Brüsseler
Zuckerkonvention, bei der England das beste Geschäft gemacht habe, da es
nach dem Wortlaut des Artikel 11 nicht gezwungen werden könne, den
Prämienzucker seiner Kolonien mit Strafzöllen zu belegen. Wenn dem-
gegenüber gesagt werde, das sei praktisch belanglos, so müsse doch gefragt
werden, weshalb England einen so großen Wert darauf lege, daß es be-
züglich seines Kolonialzuckers völlig * Hand behalten wolle. Ursprüng-
lich seien die Ansichten über die Tragweite des Artikel 11 geteilt gewesen;
jetzt habe England amtlich und authentisch sich zu der eben dargelegten
Auffassung bekannt. Deutschland habe also den Fehler begangen, dic Kon-
vention bedingungslos zu ratifizieren, bevor über die Tragweite ihrer Be-
stimmungen volle Klarheit geschaffen war.
Staatssekretär Frhr. v. Richthofen: Der Herr Vorredner hat wieder
die bekannten Angriffe gegen die Haltung Deutschlands zur Brüsseler Kon-
vention vorgebracht. Ich möchte meinerseits heute einmal den Spieß um-
drehen. Die parlamentarische Verhandlung auswärtiger Angelegenheiten
hat ihre zwei Seiten, sie kann nützlich und sie kann schädlich sein. Sie
kann, bevor es zum Abschluß von Verträgen zwischen zwei Staaten ge-
kommen ist, die eigene Regierung auf etwaige Fehler aufmerksam machen,
die zu vermeiden sind. Sie kann aber auch — ich will nicht sagen, dem
Gegner, aber doch dem anderen Kontrahenten die Möglichkeit geben, etwaige
Lücken in dem Vertrag zu sehen, die er zu seinen Gunsten ausfüllen und
ausnützen kann. Das gilt auch von der parlamentarischen Verhandlung
der Brüsseler Zuckerkonvention. Bei den Vorbesprechungen in Brüssel haben
die englischen Delegierten sich auf den Standpunkt gestellt, daß England
nicht gezwungen werden könne, Zuschlagszölle auf den Prämienzucker seiner
Selbstverwaltungskolonien zu legen. Sie haben aber darauf verzichtet,