Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunzehnter Jahrgang. 1903. (44)

42 Jas Veuische Reich und seine rinzelnen Glieder. (Februar 11.) 
Staatssekretär Frhr. v. Thielmann: Der Invalidenfonds ist jetzt 
schon seit Jahren nicht mehr in der Lage, die ihm obliegenden Ausgaben 
aus den regelmäßigen Einnahmen zu decken. Die Folge wird sein, daß 
der Invalidenfonds in einigen Jahren aufgezehrt sein wird. Vor 1908 
wird das nicht der Fall sein, aber später als 1910 schwerlich. Die sämt- 
lichen Ausgaben werden, soweit sie auf Gesetz beruhen, auf den ordentlichen 
Etat übernommen werden müssen. Was nun die Interpellation unter à 
betrifft, so habe ich sofort an die Bundesregierungen ein Rundschreiben 
erlassen, darnach zu verfahren. Im Etat von 1903 sind 9 Millionen für 
die Veteranen ausgeworfen, woraus 75000 Veteranen ihre 120 Mark er- 
halten können. Diese Summe ist in der Budgetkommission gutgeheißen 
worden. Es ist darin ein überschießender Betrag von über ¼ Million 
enthalten, aus dem auch solche Anwärter werden berücksichtigt werden 
können, deren Berechtigung zur Anwartschaft sich im Laufe des Jahres 
1903 herausstellen wird. Sonach ist unter voller Zustimmung der Budget- 
kommission der Zustand geschaffen worden, daß jedem Anwärter, dessen 
Berechtigung von den Behörden anerkannt ist, eine monatliche Rente von 
10 Mark zu teil wird. Was nun den älteren Antrag Nißler betrifft, der 
darauf hinausging, daß denjenigen Veteranen, deren Erwerbsfähigkeit in- 
folge von Krankheiten u. s. w. dauernd auf weniger als ein Drittel des 
ortsüblichen Tagelohnes herabgesetzt worden ist, Unterstützungen gewährt 
werden sollten, so ist auch damals sofort an sämtliche Bundesregierungen 
im Sinne der Resolution geschrieben worden, daß weitere Erhebungen statt- 
finden sollten. Beiläufig bemerkt, gehören die Leute, die vom Felde selber 
eine Verwundung oder Krankheit oder Siechtum davongetragen haben, nicht 
zu denen, die die heutige Interpellation im Auge hat, sondern zu den 
Kriegsinvaliden. Als solche sind sie pensioniert worden, und soweit sie 
nicht als Invaliden anerkannt und pensioniert sind, erhalten sie aus dem 
Allerhöchsten Pensionsfonds eine Unterstützung. Der Dispositionsfonds des 
Kaisers von 3 Millionen wird zum größten Teil für solche Unterstützungen 
verwandt. Die Vertreter des Herrn Kriegsministers werden mir bezeugen, 
daß noch jetzt allmonatlich nicht unbeträchtliche Summen an solche Kriegs- 
teilnehmer gezahlt werden. In dem bereits erwähnten Rundschreiben wird 
gefragt, ob sich die Zahl derjenigen Kriegsteilnehmer feststellen läßt, deren 
Erwerbsfähigkeit bei gänzlicher Vermögenslosigkeit auf ein Drittel des orts- 
üblichen Taglohnes herabgemindert worden sei. Preußen antwortete, daß 
ihm das erforderliche Material nicht zur Verfügung stehe. Diese Antwort 
kann Sie nicht überraschen. Nach der Schätzung des Kriegsministers sind 
etwa 6000000 Kriegsteilnehmer an dem Kriege gegen Frankreich und aus 
früheren Kriegen vorhanden. Sie werden mir zugeben, daß es beinahe 
ein Ding der Unmöglichkeit ist, von allen die Vermögens- und Erwerbs- 
verhältnisse, die Arbeitsfähigkeit und Arbeitsgelegenheit so genau festzu- 
stellen, um mit einiger Sicherheit zu schätzen, wie viele unter den Antrag 
Nißler fallen. Die Antwort der übrigen Bundesstaaten lautete im großen 
und ganzen beinahe wörtlich ebenso. 
In der Besprechung erklären Redner aller Parteien, daß endlich 
etwas für die Veteranen geschehen müsse. 
11. Februar. (Württemberg.) Die Zweite Kammer ge- 
nehmigt mit 55 gegen 25 Stimmen die Novelle zum Volksschulgesetz. 
Hiernach wird die geistliche Ortsschulaufsicht beibehalten, über die 
Bezirksaufsicht, die bisher von Geistlichen im Nebenamt versehen worden 
war, wird bestimmt: Die Bezirksschulaufsicht wird in der Regel als Haupt- 
amt ausgeübt. Als Bezirksschulaufseher im Hauptamt werden Schulmänner 
 
	        
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