Das Veesche Reich und seine einzelnen Glieder. (März Mitte. 17.) 59
handelspolitische Grundsätze auf, von deren Anerkennung die Unter-
stützung der Reichstagskandidaten durch den Bund abhängig ge-
macht werden soll:
Der Bund der Landwirte erwartet (daher) von den mit seiner Unter-
stützung gewählten Abgeordneten in bezug auf die Handelspolitik: A. daß
sie ihren ganzen Einfluß auf die Regierung dahin geltend machen werden,
daß die sofortige Kündigung der noch laufenden Handelstarifverträge, ohne
Rücksicht auf den Stand neuer Verhandlungen erfolgt; B. daß sie neuen
Handelstarifverträgen, die eine Ermäßigung der landwirtschaftlichen Zoll-
sätze des neuen Generaltarifs enthalten, nur zustimmen werden, wenn
a) vorher die Kündigung der Meistbegünstigungsverträge mit den Ver-
einigten Staaten von Amerika und mit Argentinien erfolgt ist; b) die
Industriezollsätze des neuen Generaltarifs bei der chemischen Industrie und
bei der Eisen= und Maschinenindustrie eine Hpabesuun erfahren, durch
welche die Parität zwischen dem der Landwirtschaft und Industrie ge-
währten Schutz hergestellt wird; c) die neuen Handelsverträge eine Klausel
enthalten, die dem Deutschen Reiche das Recht wahrt, in bezug auf die
Regulierung des Getreideimports besondere gesetzliche Maßregeln zu treffen;
d) die Vieh= und Fleischzölle nicht unter diejenigen Sätze herabgemindert
werden, welche seinerzeit von der Tarifkommission des Reichstags als
Mindestzollsätze beschlossen und neuerdings in der dem Reichstage vor-
gelegten Resolution Herold verlangt worden sind; e) der innerhalb des
ahmens des neuen Generaltarifs überhaupt noch mögliche Schutz für
tierische Produkte, Oelfrüchte, Gärtnereiprodukte, Wein, Obstbau und Schäl-
wald gewahrt wird; f) die Verkehrs= und Tarifautonomie des Deutschen
Reichs auf sämtlichen Verkehrsstraßen gewahrt wird.
Mitte März. (Sachsen.) Sozialdemokratie und Armut.
Auf einer sozialdemokratischen Landeskonferenz in Mittweida wird
über die Erhöhung der Beiträge zum Wahlfonds beraten. Dabei betont
Delegierter Hähle-Chemnitz: Es sei zu bedenken, daß von unseren Partei-
genossen den Leuten die Armut zu sehr eingeredet worden ist! Das be-
stätigt Sindermann-Dresden als richtig: man hat den Leuten immer vor-
geredet, ihr seid zu arm, bis sie es geglaubt haben!
(„Tägliche Rundschau".)
17. März. Der Kaiser besucht den König von Sachsen in
Dresden.
17. März. (Sachsen.) König Georg erläßt folgende Kund-
gebung über die Ehescheidung des Kronprinzen:
An Mein Volk! Im Begriff, zur Erholung nach langer, ernster
Krankheit in den Süden zu reisen, drängt es Mich, noch einmal allen, die
gelegentlich des schweren Unglücks, das über Mich und Meine Familie
hereingebrochen ist, Mir herzliche Beweise der Teilnahme gegeben hat, von
anzem Herzen zu danken. Mit diesem Ausdruck des Dankes verbinde
ch den Ausdruck der zuversichtlichen Hoffnung, daß die Unruhe und Auf-
regung, welche infolge der betrübenden Vorgänge des vergangenen Winters
sich weiterer Kreise bemächtigt hat, endlich der Ruhe und dem früheren
Vertrauen Platz machen wird. Glaubet nicht denen, die euch vorstellen,
daß hinter all dem Unglück, das uns betroffen hat, nur geheimnisvoller
Lug und Trug verborgen sei, sondern glaubet dem Worte eueres Königs,
den ihr nie als unwahr erkannt habt, daß dem unendlich Schmerzlichen,