74 ## Veische Reich und seine einzelnen Glieder. (März 21.)
In einer Versammlung gegen die Zulassung der Jesuiten in Mün-
chen hält Prof. Graf Du Moulin-Eckart eine Rede, in der er sagt:
„Zur Schande des deutschen Volkes steht heute in der Feldherrnhalle das
Erzbild Tillys.“ Gegen diese Worte entfaltet die klerikale Partei eine
heftige Opposition, da sie eine Beschimpfung des Hauses Wittelsbach und
eines edlen Kriegshelden enthielten. Veteranenvereine und höhere Offi-
ziere protestieren ebenfalls. Ein von der Zentrumspartei verbreitetes Flug-
blatt fordert die Absetzung Du Moulins. Die „Allgemeine Zeitung“ be-
merkt dazu: Wie verhält sich diese Entrüstung und dieser Kraftaufwand
zu Ehren eines belgischen Generals, der wiest im dreißigjährigen Krieg
im Dienste des damaligen bayerischen Kurfürsten starb, zu der Tatsache,
daß auch nicht mit einem Wort die Steuerzettel- und Kanonenrede des
Herrn Schädler mißbilligt wird; daß nicht mit einem Wort gegen das
Auftreten des Abgeordneten und Domherrn Dr. Pichler in Straubing Ein-
spruch erhoben wird; daß der Pfarrer und Abgeordnete Hebel ohne auch
nur den leisesten Tadel zu finden, in das Land hinausgesprochen hat, daß
man bayerische Prinzen als preußische Lakaien ansehe; daß unter Vorsitz
des Lyzealrektors Dr. v. Daller in München ein Dr. Heim den Prinz-
Regenten als „gekrönten Agitator“ für das Zentrum in Anspruch nehmen
konnte; daß in München von Zentrumsorganisationen seit zwei Jahren
und neuerdings Flugblätter verbreitet werden, die die Religion zu einem
Mittel gewerblichen Boykotts machen.
21. März. (Reichstag.) Kolonialetat. Haussklaverei. An-
siedlung von Buren.
Abg. Stolle (Soz.) tadelt, daß die Haussklaverei noch nicht auf-
gehoben sei. Ministerialdir. Dr. Stübel: Die Haussklaverei bilde nur
noch einen Uebergangszustand und jeder Haussklave könne sich durch Zah-
lung einer Abfindungssumme freikaufen. Der Herr sei verpflichtet, für
den Sklaven im Alter und bei Krankheit zu sorgen. Abg. Schrempf
(kons.) wünscht, daß die Kolonialverwaltung weniger bureaukratisch ge-
staltet, daß vielmehr Kaufleute zur Verwaltung herangezogen würden.
Gouverneur Graf Götzen: Die Kaufleute seien in Ostafrika häufig nach
ihren Wünschen gefragt worden, und die Verwaltung habe sie berücksichtigt.
Hierauf werden gegen die Stimmen der Sozialdemokraten, der frei-
sinnigen Volkspartei und einen Teil des Zentrums 750000 Mark zur
Fortführung der Eisenbahn Tanga—Korogwe —-Mombo und 346000 Mark
für den Betrieb der Usambarabahn bewilligt.
Abg. Arendt (RP.) fragt, ob in Südwestafrika sich Buren ange-
siedelt hätten. Gouverneur Oberst Leutwein: Die Ansiedelungsfrage der
Buren ist nur vom Standpunkte des gesunden nationalen Egoismus zu
betrachten. Der Bure ist nur als Viehzüchter zu brauchen, aber zu dieser
Beschäftigung gehört Kapital. Diese Bedingung müssen wir zuerst an ihn
stellen. Arme Angehörige anderer Nationen können wir auch brauchen,
arme Buren nicht. Der Bur zieht mit Ochsenwagen, mit seiner Frau und
vielen Kindern im Lande umher und ruiniert die Jagd, das Wasser, die
Weiden und Anlagen. Wir haben einige Buren angesiedelt. In der ersten
Periode (1896) hatten sie den betreffenden Platz wieder verlassen. 1900
hat die Verwaltung mit dem Gesandten der Transvaal-Republik im Haag
verhandelt. Es hatten sich 27 Buren gemeldet, von denen sich nur 7 als
brauchbar erwiesen haben. Haben die Buren die Reichsangehörigkeit an-
genommen, so werden sie ebenso behandelt wie alle übrigen Reichsange-
hörigen. Man sollte die Kolonien nicht zu sehr mit Fremden durchsetzen.
Wir sind darin schon jetzt beinahe auf einer abschüssigen Bahn.