Bas Dentsqhe Reich und seine einzelnen Glieder. (März 28. 30.) 77
auf, einer weiteren Erhöhung der Reichsangaben entgegenzutreten,
auf jede Ersparnis in den bisherigen Ausgaben Bedacht zu nehmen,
endlich eine anderweitige Regelung der finanziellen Beziehungen des
Reiches zu den Einzelstaaten fortgesetzt anzuregen und zu betreiben.
28. März. (Berlin.) Die Reichstagswahlen werden auf
den 16. Juni festgesetzt. — Der „Vorwärts“ hatte angeblich auf
Grund amtlicher Aktenstücke den 17. Mai als Termin angegeben
und daraus geschlossen, daß die Regierung die Wähler überrumpeln
wolle, er wird aber von der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“
scharf dementiert und von den übrigen Blättern verspottet.
28. März. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung"“ schreibt
über den Antrag Krafft im elsaß-lothringrischen Landesausschufse
(S. 58):
Der Irrtum, von dem auch dieser Antrag ausgeht, besteht darin,
daß Elsaß-Lothringen dem Deutschen Reiche abgetreten, also kein selb-
ständiges souveränes Staatengebilde ist, sowenig, wie es dies unter fran-
zösischer Herrschaft war ... Die Ausschaltung des Reichstags wird viel-
leicht auf Schwierigkeiten stoßen, da das Reich in Elsaß-Lothringen für
Eisenbahnen, Festungen und andere Dinge große Summen verausgabt,
z. B. den jährlichen Zuschuß von 400000 Mark für die Straßburger Uni-
versität, sich also für den Notfall auch einen Einfluß auf die Landesgesetz-
gebung sichern muß. Bisher ist übrigens der Reichstag nur in sehr sel-
tenen Fällen angegriffen worden. Die Befugnisse eines deutschen Land-
tags besitzt der Landesausschuß in vollem Umfange, auch der Abänderung
des Namens stände wohl kaum etwas entgegen. Wohl aber könnte es sich
darum handeln, den Landesausschuß, der heute aus den Gemeinde= und
Bezirksvertretungen von diesen gewählt wird, auf eine politische Grund-
lage zu stellen und ihm damit eine politische Zusammensetzung zu geben.
Ob die Verhältnisse reif dazu sind, das zu entscheiden, ist in erster Linie
Sache der Landesverwaltung, die, wie es scheint, dem Antrage nicht un-
freundlich gegenübersteht. Eine direkte Abstimmung im Bundesrat durch
eigene Vertreter ist dagegen ebenso unausführbar als unnötig. Die Landes-
verwaltung hat erstlich zwei Kommissare im Bundesrat, deren einer zudem
mit dem Staatssekretär v. Köller und dem Unterstaatssekretär v. Schraut
preußisches stellvertretendes Mitglied des Bundesrats ist. Da ohnehin über
elsaß-lothringische Angelegenheiten im Bundesrat füglich nicht gegen Preußen
entschieden werden kann, so ist diese Frage durch die tatsächlich bestehende
Praxis längst im Sinne des Antrags erledigt, wenn auch nicht der Form,
so doch dem Wesen nach.
30. März. (Preußisches Abgeordnetenhaus.) Staats-
beihilfe zu Arbeiterwohnungen. Ausgleichsfonds der Eisenbahn-
verwaltung.
Der Gesetzentwurf über die Bewilligung weiterer Staatsmittel zur
Verbesserung der Wohnungsverhältnisse von Arbeitern und gering besol-
deten Staatsbeamten wird ohne Debatte angenommen. Der Gesetzentwurf
über Bildung eines Ausgleichsfonds für die Eisenbahnverwaltung wird
nach längerer Diskussion gegen die Stimmen der Freisinnigen Volkspartei