Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zwanzigster Jahrgang. 1904. (45)

Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 1. 3.) 39 
gesäumt Veranlassung nimmt, auf eine klare, unanfechtbare Weise der 
Oeffentlichkeit gegenüber festzustellen, welche grundsätzliche Stellung er den 
Agrarzöllen gegenüber einnimmt. Die Fraktion fordert mit Rücksicht auf 
die Notwendigkeit einheitlicher und übereinstimmender Propagierung der 
Parteibeschlüsse Schippel auf, Zollfragen fortan nur in einer jede Miß- 
deutung ausschließenden Weise zu behandeln. 
1. März. (Bayerische Abgeordnetenkammer.) Main- 
kanalisierung, Schiffahrtsabgaben, Verhandlungen mit Preußen und 
Hessen. 
Verkehrsminister Frauendorfer teilt auf eine Anfrage einiges 
mit über die Verhandlungen im Herbst 1903, welche von den Vertretern 
der Mainuferstaaten in Nürnberg gepflogen wurden. Bei dieser Konferenz 
sei bezüglich der Kostenbeteiligung eine Einigung erzielt worden. Preußen 
werde die Kosten von Offenbach bis Hanau mit 3½ Millionen Mark über- 
nehmen, während Bayern die Kosten der 30 Kilometer langen Strecke bis 
Aschaffenburg mit 9½ Millionen Mark übernehmen werde und außerdem 
die Herstellung von Umladestellen in Aschaffenburg mit rund 14½ Millionen 
Mark. Bei der Fortsetzung der Kanalisation werde das Streben Bayerns 
darauf gerichtet sein, daß die Schiffahrtsabgaben keine wesentliche Erhöhung 
erfahren, da sonst die Rentabilität des ganzen Unternehmens in Frage 
stehe. Die preußische Regierung werde sich bereit erklären, nach dieser 
Richtung den Wünschen Bayerns entgegenzukommen. Diese Bereitwilligkeit 
werde aber an die Voraussetzung geknüpft sein, daß sich auch bezüglich 
der Eisenbahntarife ein entsprechendes Uebereinkommen finden lasse. Die 
preußisch-hessische Eisenbahngemeinschaft werde durch die Fortsetzung des 
Kanals bis Aschaffenburg jährlich 4½ Millionen an Eisenbahneinnahmen 
verlieren. Preußen und Hessen wollten diese Einnahmeminderung hin- 
nehmen, aber sie möchten sich einer weiteren Schädigung durch Fortführung 
des Kanals erwehren. In dieser Beziehung seien der bayerischen Regie- 
rung bestimmte Vorschläge gemacht worden, zu denen auf dem Wege von 
Regierungsverhandlungen Stellung genommen werden müsse. Fraglich sei, 
ob ein tarifarisch ganz unabhängiger Anschluß des bayerischen Eisenbahn- 
netzes an den großen Rhein- und Main-Schiffahrtsverkehr sich werde er- 
reichen lassen, wie seinerzeit von bayerischer Seite angenommen worden 
war. Die bayerische Regierung habe reiflich zu prüfen, ob die Vorteile, 
welche man von der Fortführung der Main-Kanalisation erwarte, nicht 
anderseits durch allzu große Opfer erkauft werden müßten. Er hoffe, bei 
der freundlichen Haltung der preußischen und der hessischen Regierung, 
sowie bei ihrem Entgegenkommen werde es schließlich doch zu einer be- 
friedigenden Vereinbarung kommen. — In der Debatte fordern mehrere 
Abgeordnete, daß Bayern seine Tarifhoheit unbedingt behalte, um sich nicht 
Preußen wehrlos in die Hand zu geben. 
3. März. (Preußisches Herrenhaus.) Beratung eines 
neuen Ansiedlungsgesetzes. Polenfrage. 
Ein Gesetzentwurf über Ansiedlungen in den Provinzen Ostpreußen, 
Westpreußen, Brandenburg, Pommern, Posen, Schlesien und Sachsen be- 
stimmt: Die Ansiedlungsgenehmigung ist endlich im Geltungsgebiet des 
Gesetzes, betreffend die Beförderung deutscher Ansiedlungen in den Pro- 
vinzen Westpreußen und Posen, vom 26. April 1886 zu versagen, solange 
nicht eine Bescheinigung des Vorsitzenden der Ansiedlungskommission vor- 
liegt, daß die Ansedlang mit den Zielen des bezeichneten Gesetzes nicht 
im Widerspruch steht.
	        
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