Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 4./16.) 43
zum Trotz. Wir leben und kämpfen auf diesem Boden, um dieses unser
Vaterland, unser Heimatland, das so gut unser Vaterland, vielleicht noch
mehr als Ihr Vaterland ist, so zu gestalten, daß es eine Freude ist, in
demselben zu leben, auch für den letzten unter uns. Das ist unser Be-
streben, das suchen wir zu erreichen und deshalb werden wir jeden Ver-
such, von diesem Vaterlande ein Stück Boden wegzureißen, mit allen
uns zu Gebote stehenden Kräften bis zum letzten Atemzuge zurückweisen.
Kriegsminister v. Einem: Meine Herren, verzeihen Sie mir: „Die Bot-
schaft hört' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube!“ . . Da müssen
Sie andere Taten zeigen, da müssen Sie aufhören, diese Agitation zu
treiben. Denn das ist zweifellos: man kann auf der einen Seite nicht
das Vaterland diskreditieren in den Augen seiner Mitbürger, man kann
nicht sagen, ihr seid rechtlos, ihr seid Sklaven, und auf der anderen Seite
von denselben Leuten verlangen, daß sie ihr Blut und Leben und alles,
was sie haben, in die Schanze schlagen für dieses verlästerte Vaterland.
An den folgenden Tagen wird namentlich diskutiert über die tech-
nische Bildung im preußischen und bayerischen Offizierkorps, wobei der
bayer. Militärbevollmächtigte Oberst v. Endres dem Versuche des Abg.
Müller-Meiningen (fr. Vp.), einen Unterschied zu ungunsten Preußens zu
konstatieren und ein Kontingent gegen das andere auszuspielen, lebhaft
entgegentritt. Ferner verlangt Abg. Müller-Meiningen Auskunft, ob es
wahr sei, daß der Erbprinz von Meiningen sein Generalkommando ver-
loren habe, weil er eine Verfügung gegen die Mißhandlungen erlassen
habe. So sei es in weiten Kreisen aufgefaßt und habe großes Aufsehen
erregt. Kriegsminister v. Einem: Die Verabschiedung der kommandierenden
Generale sei durchaus Sache des Kaisers, und er lehne es ab, darüber hier
sprechen. Die Meinung, daß der Erbprinz wegen Bekämpfung der
Mißhandlungen verabschiedet sei, sei gerade zu eine Beschuldigung der höchsten
Stelle, als ob Seine Majestät nicht selbst mit aller Entschiedenheit gegen
diese Mißhandlungen vorginge, als ob er einen General verabschiedete,
der gegen diese von Seiner Majestät mit aller Bestimmtheit getadelten
Bergehen vorging. Am 8. und 9. März findet ein lebhaftes Rededuell
zwischen den Abgg. Stöcker (chr.soz.) und Bebel (Soz.) statt über die
sittlichen Zustände im Offizierkorps, wobei Stöcker scharf gegen die sitt-
lichen Anschauungen der Sozialdemokratie im Anschluß an Bebels Buch:
„Die Frau“ polemisiert.
Am 9. März werden folgende Resolutionen angenommen: 1. Eick-
hoff, Dr. Müller-Sagan: Die Verbündeten Regierungen zu ersuchen, den
Mannschaften des stehenden Heeres und der Kaiserlichen Marine im Falle
der Urlaubserteilung alljährlich oder doch mindestens einmal während ihrer
Dienstzeit für eine Reise in die Heimat freie Hin- und Rückfahrt auf den
deutschen Eisenbahnen zu ermöglichen und ihnen dabei tunlichst die Be-
nutzung der Schnellzüge zu gestatten. 2. Dr. Beumer: Die Verbündeten
Regierungen zu ersuchen, den Mannschaften des stehenden Heeres und der
Kaiserlichen Marine im Falle der Urlaubserteilung alljährlich für eine
Reise in die Heimat und für eine entsprechende Rückreise in die Garnison
freie Fahrt auf den deutschen Eisenbahnen zu ermöglichen. — Abgelehnt
wird gegen die Rechte und Nationalliberalen folgende Resolution: Die
Verbündeten Regierungen zu ersuchen, in Erwägung darüber einzutreten,
inwieweit die Gewinnung einer ausreichenden Zahl von Unteroffizieren
für Armee und Flotte durch Ueberbürdung der einzelnen infolge ungleich-
mäßiger Verteilung der dienstlichen Obliegenheiten und durch unzulängliche
Löhnungsverhältnisse erschwert ist, um tunlichst bald Verbesserungsvorschläge
an den Reichstag gelangen zu lassen.