Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 28. — April 11.) 65
Referenten mir einen Brief zurückgegeben habe, indem er mich darauf auf-
merksam machte, daß eventuell für den Betreffenden eine Strafverfolgung
eintreten würde. Wenn die Sache so wäre, daß solche Fälle, auch wenn
sie vertraulich bekannt werden, verfolgt werden müssen, so wäre diese Be-
merkung des Kriegsministers ganz unverständlich und dann hätte sich jener
Referent eigentlich auch strafbar gemacht. Daraus ergibt sich, daß die
Fraktion im Recht war, als sie ganz bestimmt ausgesprochen hat, daß in
diesem Falle die dienstliche Behandlung in Widerspruch stehe mit dem, was
sonst Uebung sei. Daraus ergibt sich ferner ein Rückschluß auf die Be-
handlung des Briefes.“
Offiziös wird dazu in der „Korrespondenz Hoffmann“ erklärt:
„Hierzu ist festzustellen, daß der Fall insofern völlig verschieden war, als
es sich um den Brief eines preußischen Soldaten mit Klagen über seine
(preußischen) Vorgesetzten handelte, also nicht um Untergebene des baye-
rischen Kriegsministers im Sinne des § 147 des MStEB. — Dem Ab-
geordneten Pichler wurde damals mündlich mitgeteilt, das bayerische
Kriegsministerium könne in der Sache nichts anderes tun als den Brief
an das preußische Kriegsministerium weiter zu geben. Als die darauf
gestellte Frage des Abgeordneten Pichler, ob der Betreffende eventuell Strafe
zu gewärtigen sobe bejaht wurde mit dem Zusatz, sicher, wenn die An-
gaben unwahr sind“, erbat sich der Abgeordnete Pichler sofort die Rückgabe
des Briefes, zu deren Verweigerung kein rechtlicher Grund vorlag.“
28. März. (Olbdenburg.) Generalmajor a. D. v. Lettow-
Vorbeck, hervorragender Militärschriftsteller, geboren 21. Dezember
1839, f. Hauptwerk: Der Krieg von 1806 und 1807.
1. April. (Sachsen.) Streit zwischen Ärzten und Kranken-
kassen in Leipzig; sämtliche 233 Kassenärzte stellen die Arbeit ein.
April. (Hagen.) Freie kirchlich-soziale Konferenz.
Der Vorsitzende Abg. Stöcker fordert zum Zusammengehen der
evangelischen und katholischen Arbeitervereine gegen den Umsturz auf und
wünscht, daß der Evangelische Bund es nicht erschwere. Hauptvorträge:
Lic. Weber: Förderung der kirchlich-sozialen Bestrebungen durch die preu-
ßische Generalsynode; Stöcker: Aufstreben der Arbeiterklasse oder Klassen-
kampf?
5./6. April. (Chemnitz.) Der Parteitag der sächsischen Sozial-
demokratie bespricht den Ausfall der Wahl in Zschopau (S. 64),
wobei heftige Anklagen gegen die Diktatur der Parteileitung ge-
richtet werden. Die große Mehrheit billigt aber die Haltung des
Parteivorstandes.
Anfang April. (Preußen.) Die studierenden Frauen werden
zum examen pro facultate decendi, dem Examen der Gymnasial-
lehrer, zugelassen.
10./11. April. (Berlin.) Es bildet sich ein Bund der Hand-
werker mit folgendem Programm:
1. Erlaß eines Gesetzes betreffend Errichtung eines Gewerberegisters;
2. Umänderung des Handwerkergesetzes, hauptsächlich der §§ 103 a und 103 i,
Ges.-Samml.; 3. Schaffung eines Handwerksministeriums; 4. staatliche
Europäischer Geschichtskalender. XLV. 5