68 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (April 12./16.)
Beziehung geht aber aus sehr klaren und einwandsfreien Motiven hervor.
Es lag und es liegt im Interesse aller Mächte und auch im Interesse der
deutschen Politik, daß sich aus dem Kriege in Ostassen nicht ein Weltkrieg
entwickele. Dazu trägt wesentlich bei, wenn das große chinesische Reich
aus dem Kriege herausgenommen wird. Die Neutralisierung von China
trägt aber auch weiter bei zur Beruhigung des chinesischen Hofes und der
chinesischen Regierung. Die Eventualität, in einen Krieg hineingezogen zu
werden, hätte den chinesischen Hof veranlassen können, Peking zu verlassen,
was wiederum die Bedrohung der Sicherheit der in China lebenden Euro-
päer nach sich gezogen haben würde. Also auch in dieser Beziehung glauben
wir durch unser Eintreten für die Neutralisierung von China, die außer-
dem der beste Gegenbeweis ist gegenüber der vielfach gegen uns verbreiteten
Verleumdung, wir wollten uns ein Stück von China aneignen, den Inter-
essen des Friedens am meisten gedient zu haben. ... Endlich hat der Herr
Abg. Sattler auch die Vorgänge in Südwestafrika berührt. Ich glaube,
daß der Augenblick, sich mit der Lage der Dinge in Südwestafrika zu be-
schäftigen, besser gewählt wird bei der Beratung des Kolonialetats. Ich
will mich aber in dieser Beziehung schon heute und sehr gern all dem an-
schließen, was der Herr Abg. Sattler über diesen Punkt gesagt hat, ins-
besondere über die Notwendigkeit, daß wir alles tun müssen, um Südwest-
afrika zu halten. Wir denken auch gar nicht daran, von diesem Boden,
auf den wir unsern Fuß gesetzt haben, auf dem deutsches Blut geflossen
ist, auch nur einen Fuß breit aufzugeben. Wir werden alles tun, um die
Aufrührer, die sich gegen unsere Autorität erhoben haben, in ihre Schranken
zurückzuweisen. Wir werden auch alles tun, um der Wiederkehr solcher
Vorkommnisse für die Zukunft vorzubeugen. Ich hoffe aber, daß wir aus
den gemachten Erfahrungen lernen. Wir hoffen es dahin zu bringen, daß
die gegenwärtige Krisis für Südwestafrika den Uebergang zu einer neuen
und besseren Aera bilden wird. Vor allen Dingen aber schließe ich mich
demjenigen an, was der Herr Abg. Sattler gesagt hat über diejenigen
Offiziere und Mannschaften, die in den letzten Tagen in Südwestafrika in
den Tod gegangen sind. Wir gedenken mit Wehmut der Toten, aber auch
mit Anerkennung für ihre Bravour, mit Anerkennung für ihren Helden-
mut, den sie an den Tag gelegt haben. (Lebhafter Beifall.) Mir ziemt
es, von dieser Stelle zu sagen, daß unsere Landsleute drüben, die so tapfer
vor dem Feinde ihre Pflicht getan haben, der Anerkennung, Dankbarkeit
und des Vertrauens des Landes sicher sein können. (Lebhafter Beifall.)
Außerdem wird besprochen die Jesuitenfrage und der Abschluß von
Handelsverträgen, wobei Vertreter der Rechten schleunige Kündigung der
bestehenden Verträge fordern. Die Regierung gibt über den Stand der
Vertragsverhandlungen keine Auskunft.
Am 14. begrüßt Abg. Bebel (Soz.) das englisch-französische Ab-
kommen als einen Beweis, daß sich wichtige internationale Fragen friedlich
schlichten lassen. Ueber den ostasiatischen Krieg sagt er: Der Kanzler will
vor allem die Neutralität Chinas aufrechterhalten. Das stimmt doch nicht
ganz mit dem Programm unserer Neutralität; China ist doch nicht unser
oder eines anderen Vasallenstaat, und wenn man China durchaus neutrali-
sieren will, so deckt sich das doch nicht mit dem Begriff strenger Neutralität.
Dieses Bestreben muß den Eindruck erwecken, als wenn es ausschließlich
zu gunsten Rußlands betätigt wird. Auch sonst erscheint die strikte Neu-
tralität Deutschlands nicht ganz zweifelsfrei. Die Hamburg-Amerika-Linie
hat den Schnelldampfer „Bismarck" an eine russische Gesellschaft verkauft.
Hat das Auswärtige Amt diesen Verkauf gestattet? Ich muß das fast
voraussetzen, weil die Leiter der Linie vorsichtige Leute sind, die sich nicht