Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einundzwanzigster Jahrgang. 1905. (46)

Das Denische Reih und seine einzeluen Glieder. (Oktober 23. —25.) 125 
Das Bündnis zwischen Block und Sozialdemokraten wird in der 
nationalliberalen Presse zum Teil scharf getadelt, zum Teil wird es mit 
der Notwendigkeit motiviert, eine Zentrumsmehrheit zu vereiteln. 
23. Oktober. (Hessen.) Die Wahlreform scheitert, weil die 
Zweite Kammer den Beschluß der Ersten Kammer, der die Wahl- 
reform von der Erweiterung des Budgetrechts der Ersten Kammer 
abhängig macht, ablehnt. 
24. Oktober. Streit in der sozialdemokratischen Partei. 
Sechs Redakteure des „Vorwärts" müssen aus der Redaktion aus- 
scheiden, weil sie den Radikalismus des Parteivorstandes nicht teilen. Der 
Ausschluß erfolgt namentlich auf Betreiben des Abg. Bebel. Der Aus- 
schluß wird von den bürgerlichen Blättern als charakteristisch für die 
sozialdemokratische Preßfreiheit verspottet; von den sozialdemokratischen 
Blättern greift namentlich die „Münchener Post“ den Parteivorstand scharf 
an; die „Leipziger Volkszeitung“ und andere stimmen ihm zu, die Arbeiter- 
massen dürften sich nicht durch einige Litteraten irre führen lassen. 
25. Oktober. (Sachsen.) Der Kaiser besucht Dresden und 
wird vom Oberbürgermeister feierlich empfangen, dem er seinen 
Dank ausspricht. Bei einem Frühstück in der Kaserne des 2. Gre- 
nadierregiments erwidert der Kaiser auf die Ansprache des Obersten: 
Mein lieber Herr Oberst! Ich spreche Ihnen hierdurch Meinen 
innigsten und aufrichtigsten Dank aus für die Gesinnungen, die Sie Mir 
im Namen des Regiments zum Ausdruck gebracht haben. Ich spreche 
auch Meinen Dank dem Könige aus, der Mir die Freude bereitet hat, 
einige Stunden bei Meinen Grenadieren verweilen zu können, welche schon 
Meinen Großvater zum Chef hatten und welche in der großen Zeit unter 
Meinem Vater und Großvater unverwelkliche Lorbeeren sich errungen 
haben. Es freut Mich um so mehr, heute Generale aus jener großen 
Zeit begrüßen zu können, in der das Deutsche Reich zusammengeschmiedet 
wurde. Wie tapfer das Regiment in den früheren Zeiten gefochten hat, 
zeigt die Geschichte der stolzen sächsischen Grenadiere, deren alte Uniformen 
Mir soeben in so sinniger Weise vorgeführt worden sind. Wir leben in 
einer Zeit, in der jeder wehrhafte junge Deutsche bereit sein muß, für das 
Vaterland einzutreten. Ich bin überzeugt, daß jeder Meiner Grenadiere 
sich dieser Pflicht bewußt ist und daß das Regiment eingedenk seiner ruhm- 
reichen Vergangenheit fortstreben wird in frommem, frischem, eifrigem 
Tun, sei es in Friedens= oder Kriegszeiten, und mit Treue und Pflicht- 
erfüllung, die der Soldat in seiner Brust tragen soll und die heute ihren 
Ausdruck finden soll in dem Rufe: Der König von Sachsen hurra, 
hurra, hurra! 
Bei der Abendtafel erwidert der Kaiser den Trinkspruch des 
Königs: 
Gestatten Euere Majestät, daß Ich aufrichtigen und dankbaren 
Lerhens für die schönen und zu Herzen gehenden patriotischen Worte, die 
ie soeben gesprochen, Meinen innigsten und herzlichsten Dank ausspreche. 
Ich kann wohl sagen, daß Ich mit tiefer Bewegung das, was wir soeben 
vernommen haben, in Mein Herz ausgenommen habe. Kommen diese 
Worte doch von der Stelle, an der schon mehrfach Sachsenherrscher ge- 
sprochen haben. An derselben Stelle versicherte Mir Euerer Majestät hoch-
	        
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