174 Bie Merreichisch-ungarische Msnearcie. (Oktober 10.—28.)
lage beruhen. Oesterreich sei am wenigsten geeignet, nach irgend einer
Schablone regiert zu werden. Was hier zu erörtern und zu beschließen
sei, könne ausschließlich von den reiflich erwogenen Interessen Oesterreichs
und seiner Völker ausgehen. Nur diese könne er prüfen; einen theoretischen
Grundsatz aber könne er dem Hause bei der Abstimmung über die Dring-
lichkeitsanträge nicht empfehlen.
Abg. Dzieduszycki (Pole): Die Polen verschlössen sich nicht der
Notwendigkeit der Ausdehnung des Wahlrechts, doch könne diese Angelegen-
heit nicht im Wege der Dringlichkeitsanträge und ohne Rücksicht darauf
gelöst werden, daß dieses Parlament ein Länderparlament sei. Hortis
(italien. Vg.) glaubt, die durch das allgemeine Wahlrecht ins Haus ent-
sandten Vertreter würden einen noch stärkeren Rückhalt im Volke haben
und ihre Stimmen könnten dann im Parlamente nicht ignoriert werden.
Dr. Menger gyeucche Fortschrp.): Er könne nicht für die Auträge stimmen,
solange nicht für eine gebührende Vertretung aller Nationalitäten Garantie
geschaffen sei. Stein (alldeutsche Vg.) erklärt, die Alldeutschen würden für
die Dringlichkeit stimmen und den Antrag auf die Festlegung der deutschen
Staatssprache hierbei erneuern. Derschatta (deutsche Vp.) spricht sich für
die Dringlichkeitsanträge aus, verlangt jedoch Berücksichtigung der natio-
nalen, kulturellen sowie sozialen und wirtschaftlichen Verschiedenheiten der
einzelnen Länder. Schöpfer cchristl.-soz. Vg.) tritt gleichfalls für das
allgemeine Wahlrecht ein. In der dann folgenden Abstimmung wird die
Dringlichkeit sämtlicher Anträge abgelehnt.
10. Oktober. (Ungarn.) Der Reichstag tritt zusammen und
wird durch ein königliches Handschreiben bis zum 19. Dezember
vertagt. Beide Häuser fassen einen Protestbeschluß gegen die Ver-
tagung.
10. Oktober. (Böhmen.) Der Landtag tritt zusammen. —
Die Sozialdemokraten veranstalten vor Beginn der Sitzung eine
Massendemonstration für das allgemeine Wahlrecht.
16. Oktober. (Ungarn.) Baron Fejervary wird abermals
mit der Kabinettsbildung betraut.
25. Oktober. Das „Fremdenblatt“ richtet eine scharfe Mah-
nung an den Sultan, in der Frage der Finanzkontrolle nachzu-
geben, um Gewaltmaßregeln der Mächte zu vermeiden.
25. Oktober. (Ungarn.) Das siebenbürgisch-evangelische Kon-
sistorium erhebt beim König Beschwerde gegen die Ministerialver-
ordnung vom August über die Volksschulen (S. 167).
25. Oktober. (Ungarn.) Ministerpräsident Fejervary fordert
in einem Rundschreiben die Munizipien auf, die freiwillig gezahlten.
Steuern an die Staatskasse abzuliefern und den sich freiwillig zum
Militärdienst Meldenden Bescheinigungen zu erteilen.
28. Oktober. (Ungarn.) Ministerpräfident Fejervary legt
in einer öffentlichen Ansprache sein Programm dar:
Falls die Koalition eine Verständigung ablehne, werde er Neu-