Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einundzwanzigster Jahrgang. 1905. (46)

Die sstterreichisch-ungearische Mosarcie. (November 18. 28.) 177 
14 Deutsche, die allgemeine Wählerklasse 14 Tschechen und 6 Deutsche. In 
nationalen Fragen ist Zweidrittelmehrheit erforderlich. 
18. November. (Ungarn.) Da viele Komitatsbehörden der 
Regierung die Unterstützung verweigern, entzieht die Regierung 
ihnen die staatliche Subvention, die dis autonome Verwaltung 
erhält. 
28. November. (Wien.) Ein Massenumzug, dessen Teil- 
nehmer bis auf 100 000 Personen geschätzt werden, demonstriert für 
das allgemeine Wahlrecht. Abordnungen tragen dem Minnister- 
präsidenten, den Präsidenten des Abgeordnetenhauses und Herren- 
hauses die Volkswünsche vor. 
28. November. (Wien.) Der Reichsrat tritt zusammen. 
Debatte im Abgeordnetenhause über das Verhältnis zu Ungarn und 
das allgemeine Wahlrecht. " 
Ministerpräsident v. Gautsch weist zunächst auf die Notwendigkeit 
der Sicherung der verfassungsmäßigen Gebarung des Staatshaushaltsetats 
hin, zu welchem Zwecke die Regierung dem Hause ein sechsmonatiges 
Budgetprovisorium unterbreite. Ueber das Verhältnis zu Ungarn erklärt 
er: der wiederholt dargelegte Standpunkt sei der gleiche geblieben, daß die 
gemeinsamen Einrichtungen, insbesondere die Gemeinsamkeit des Heeres, 
im Sinne des Ausgleichsgesetzes unversehrt erhalten bleiben müßten und 
daß auch das Programm des neuen ungarischen Ministerpräsidenten die 
Ausführung der bekanntgegebenen Entschließungen des gemeinsamen Kriegs- 
ministers enthalte, die die Einheit der Armee nicht zu lockern versuchten. 
Die Verfügungen bezüglich der Regimentssprache seien keine Leuerung, und 
könnten kein Hindernis bilden für die Armee, die sich neuerlich mit Ruhm 
bedecken werde, wenn einmal der Ruf an sie erginge. (Zustimmung.) Be- 
züglich der wirtschaftlichen Verhältnise zu Ungarn stehe die Regierung 
unverändert auf dem Standpunkte, daß die Gemeinsamkeit nur dann wie 
bisher erhalten werden könne, wenn Ungarn ohne weitere Zugeständnisse 
seitens Oesterreichs die von der früheren Regierung getroffenen Abmachungen 
übernähme. Was den gemeinsamen Haushalt der Monarchie betreffe, hoffe 
die Regierung, daß das Parlament die Ermächtigung zu der Vorlage er- 
teile, die die Regierung zur Regelung der Haushaltsangelegenheiten recht- 
zeitig dem Haus unterbreiten werde. Ueber die Mahlechtäage sagt 
er: Die Regierung glaubt, daß bei den verschiedenartigsten Wirkungkreisen 
der Landtage und der Reichsvertretung das allgemeine Stimmrecht keines- 
wegs berufen ist, den Grundsatz der Interessenvertretung aus den Land- 
tagen zu verdrängen, da die besonderen wirtschaftlichen Interessen, die die 
Landtage wahrzunehmen berufen sind, in der Interessenvertretung einen 
wirksameren Schutz finden als bei dem allgemeinen Stimmrecht. Das Haus 
habe durch seinen Beschluß vom 6. Oktober formell der Frage der Ein- 
führung des allgemeinen Wahlrechts die Dringlichkeit nicht zuerkannt, durch 
die damals erzielte Mehrheit aber die Unerlässigkeit einer Wahlreform an- 
erkannt. (Lebhafte Zustimmung.) Der Grundsatz müsse aufrecht erhalten 
werden, daß die früher erworbenen öffentlichen Rechte weiter gelten müssen. 
Weitere sorgfältigste Beachtung erfordert die Frage voller Sicherung der 
Freiheit der Wahlen und der Verhinderung jedes Terrorismus. Die wich- 
tigste Frage aber ist der Schutz der nationalen Minderheiten gegen die 
Europäischer Geschichtskalender. XLVI. 12
	        
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