Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einundzwanzigster Jahrgang. 1905. (46)

200 Großbritannien. (November 15.—Dezember 1.) 
die menschliche Voraussicht geht, kann ich dagegen einen langen Frieden 
prophezeien. Wir sind glücklicher als unsere Voreltern, aber wir müssen 
auf alle Möglichkeiten vorbereitet sein. Wir müssen auf einen Frieden 
durch Freundschaft mit allen Nationen rechnen; wir müssen zur Erhöhung 
unserer Verteidigungskraft solche Opfer bringen, daß wir dadurch dem Be- 
reich der Möglichkeit eines Angriffes entrückt werden. Es werden wahr- 
scheinlich noch langjährige Bemühnzeen nötig sein, damit wir versichert 
sein können, daß, wie auch immer die Bewegungen der Diplomatie und 
die Aenderungen in der Weltordnung sich gestalten mögen, dieses Land, 
dessen Interesse der Friede ist, sicher über den Stürmen des Schicksals segt. 
Und dieses Land, welches in den vordersten Reihen der Zivilisation steht, 
muß, ohne irgend einem anderen Lande in den Weg zu kommen, sein 
eifriges Bestreben zeigen, die ganz neue Maschinerie des Schiedsverfahrens 
anzuwenden. 
15. November. Das „Bureau Reuter“ schreibt über das eng- 
lisch-russische Einvernehmen: 
„Sowohl auf seiten der englischen wie der russischen Regierung be- 
steht der aufrichtige Wunsch, zu einer politischen Entente zu gelangen. 
Es fanden auch Erörterungen freundschaftlichster Art statt, um die Hinder- 
nisse, welche später, wenn die Zeit reif dafür sein wird, den zu pflegenden 
Verhandlungen sich entgegenstellen könnten, zu beseitigen. Endgültige poli- 
tische Schritte sind jedoch, solange die wirre Lage in Rußland fortdauert, 
nicht angemessen. Man glaubt, daß der erste Schritt zu der Entente in 
einer Revision des Handelsvertrages, für die bereits Vorschläge gemacht 
sind, gefunden werden kann.“ 
19. November. Der Passagierdampfer „Hilda“ geht mit 
123 Personen bei der Insel Cezembra an der bretonischen Küste 
unter. 
Ende November. Die Presse diskutiert die Möglichkeit eines 
Kabinettwechsels. Viele liberale Stimmen erklären, die Liberalen 
würden augenblicklich die Regierung nicht übernehmen, sondern eine 
Parlamentsauflösung durch Balfour verlangen. 
Ende November. Der Privatsekretär des Königs, Knollys, 
dementiert die Zeitungsnachricht, daß König Eduard an der Feier 
der silbernen Hochzeit des deutschen Kaiserpaars teilnehmen werde. 
Das Dementi gilt in Deutschland als Beweis für die Spannung 
zwischen Deutschland und England und für die unfreundliche Ge- 
finnung des Königs gegen den Kaiser. 
1. Dezember. Die Regierung veröffentlicht den Schriften- 
wechsel über die geplante Konferenz der Premierminister der Kolonien. 
Daraus geht hervor, daß der Kolonialminister Lyttelton vorgeschlagen 
hat, der Konferenz den Namen Reichsrat (Imperial Council) zu geben und 
einen ständigen Ausschuß zu bilden, der den Reichsrat auf dessen Verlangen 
über Einzelangelegenheiten zu beraten hat. Die Kapkolonie, Natal und 
Australien haben sich mit diesem Vorschlag völlig einverstanden erklärt; 
Kanada und Neufundland haben sich dagegen ausgesprochen. Neuseeland 
erwiderte, es sei nicht in der Lage, eine Antwort zu erteilen, bevor das 
 
	        
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