Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einundzwanzigster Jahrgang. 1905. (46)

Frenkreich. (März 16.—21.) 207 
Erhöhung des Effektivbestandes des deutschen Heeres hin und sagt, in den 
von Deutschland annektierten Provinzen ständen drei Armeekorps. Hinter 
diesen drei Armeekorps ständen weitere acht oder zehn mit einer sehr be- 
deutenden Effektivstärke, auf seiten der Franzosen dagegen seien die Effektiv- 
bestände beträchtlich geringer. Redner spricht mit Anerkennung von der 
Tüchtigkeit der französischen Offiziere und bemerkt dann, ihn erfülle der 
Gedanke mit Sorge, was im Falle einer Kriegserklärung aus den am 
weitesten vorgeschobenen vier Divisionen in Nancy, Toul und Verdun 
werden würde; die Divisionen in Nancy würden sicherlich vernichtet oder 
zum Rückzug gezwungen werden. Die Deutschen seien fortgesetzt bestrebt, 
die militärischen Verhältnisse aufs äußerste zu verstärken, es würden neue 
Forts errichtet, strategische Eisenbahnlinien gebaut, die Effektivbestände seien 
bei den Deutschen immer vollzählig, während im französischen Heere, wie 
die amtlichen Berichte zeigten, die Effektivbestände der Kompanien allmäh- 
lich von 175 auf 140 und 130, im Juni 1904 auf 90 Mann herab- 
egangen seien. Es wäre sinnlos, einer Nation an Truppenzahl gleich- 
ommen zu wollen, die 20 Millionen Einwohner mehr hat als Frankreich, 
aber für die ausreichende Stärke der Truppen zur Deckung der Grenze 
müsse gesorgt werden, denn da handle es sich um die Sicherheit des Landes. 
16./17. März. (Kammer.) Beratung und Annahme des 
Wehrgesetzes. Zweijährige Dienstzeit. Präsenzstärke. 
Kriegsminister Berteaux plädiert für Annahme des Gesetzes in der 
Senatsfassung. Abg. de Montebello (Rep.) fordert die Vertagung der 
Beratung, bis der Oberste Kriegsrat sich gutachtlich habe äußern können. 
Er befürchte, daß das Gesetz Frankreich Deutschland gegenüber in hohem 
Maße schwächen werde. Seines Erachtens würden die französischen Deckungs- 
truppen nicht stark genug sein, um hinter ihnen die Mobilisation durch- 
führen zu können. Kriegsminister Berteaux: Die Angaben des Vor- 
redners über die Deckungstruppen seien ganz ungenau und würden durch 
die Tatsache widerlegt, daß Frankreich ebensoviele Regimenter an der 
Grenze habe wie Deutschland, und daß diese Regimenter denselben Effektiv- 
bestand hätten wie die deutschen. Der Vorredner möchte die Souveränität 
des Parlaments der militärischen Macht unterordnen. 
Am 17. wird das Gesetz mit 519 gegen 32 Stimmen angenommen. 
Der Ausfall des dritten Jahrganges bedeutet eine Verminderung 
um 110000 Mann. Dadurch, daß die bisherigen Einjährigen (dispensés) 
in Zukunft zwei Jahre dienen, entsteht ein Mehr von 66000 Mann. Der 
Ausfall wird somit auf rund 50000 Mann eingeschränkt. Dieser wird 
gedeckt durch: 1. Erhöhung der Zahl der Kapitulantenunteroffiziere um 
2750, der Kapitulantengefreiten um 18500, der Kapitulantengemeinen um 
6000; 2. zweijährige Dienstzeit der französischen Kolonisten in Algerien 
und Tunesien: 5000 Mann; 3. Dienstpflicht der bisher befreiten, im Aus- 
land lebenden Franzosen: 600 Mann; 4. Dienstpflicht in den vier alten 
Kolonien: 1000 Mann; 5. Einstellung Mindertauglicher vom Service 
auxiligire: jährlich 8000—16000 Mann. Zusammen 49 850 Mann. 
21. März. Die Kammer beginnt die Beratung des Gesetz- 
entwurfs über Trennung von Staat und Kirche. 
Der Entwurf beginnt („Frankfurter Zeitung“): Die Republik an- 
erkennt weder noch besoldet und unterstützt irgend einen Kult. Infolge- 
dessen werden vom 1. Januar an, der auf die Verkündung dieses Ge- 
setzes folgt, Staats-Departements= und Gemeindebudgets, die sich auf die 
Unterhaltung der Kulte beziehen, unterdrückt. Nachstehend folgen die
	        
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