Italien. (Mai 11. 12.) 231
habe. Es sei niemals von einer Konzessionserteilung die Rede gewesen, da
überhaupt kein Konzessionsgesuch eingereicht war. Das Verhalten des Bot-
schafters in Konstantinopel werde von der Regierung vollkommen gebilligt.
Ueber den Hafen von Tripolis habe nur der Sultan zu verfügen. Ge-
schäftsleute, die im Jahre 1900 eine Hafenkonzession ausboten, hätten eine
solche gar nicht besessen. Um allen unsoliden Vorspiegelungen ein Ende
zu machen und die Interessen Italiens sicher zu wahren, sei der Bot-
schafter aufgefordert worden, dem Sultan zu wiederholen, daß die politischen
Ziele Italiens friedliche seien, auf der Aufrechterhaltung des status qduo
beruhten und die herzlichen Beziehungen zur Türkei zu festigen bezweckten.
Zugleich habe der Botschafter die Aufmerksamkeit der Pforte gelenkt auf
die schweren Folgen, die privilegierte Konzessionen, die etwa zum Nachteil
Italiens in Tripolis oder Kyrenaika erteilt werden sollten, für die Türkei
haben könnten, denn dies würde Italien nötigen, scharfe Maßregeln zu
ergreifen. Diese Erklärung wurde am 7. Mai abgegeben. Der Sultan
ließ am selben Tage dem Botschafter erklären, 1. daß die Nachricht von
der angeblichen Konzessionsgewährung an Ausländer im Hafen von Tripolis
falsch sei; 2. daß keine Konzession gefordert worden sei; 3. daß der Sultan
gegenwärtig überhaupt nicht beabsichtige, einen Hafen in Tripolis zu
bauen und daß, falls er dies tun werde, die Ausführung des Werkes von
der türkischen Regierung selbst in die Hand genommen werden würde;
4. daß der Sultan, selbst wenn seine Regierung ihm die Erteilung der
Konzession an Ausländer vorschlage, diese verweigern würde. Nach diesen
feierlichen Erklärungen habe Italien ruhig sein wirtschaftliches Vorgehen
in Tripolitanien wieder aufzunehmen. Früher hätten die einen eine ge-
waltsame Eroberung gewünscht, die anderen ein wirtschaftliches Eindringen.
Jetzt sei die letztere Ansicht die vorherrschende geworden. Die Regierung
werde auch in dieser Frage in den Grenzen bleiben, innerhalb deren sie
die Absichten des Senats durchführen könne. — Alle Redner stimmen dem
Minister zu.
11. Mai. Marineprogramm.
Nach dem Entwurf des Marineministers wird das Budget für
1904/05 auf 125 Millionen, das für 1905/06 auf 126 Millionen, für
1906 07 und 1907/08 auf 133 Millionen und die für 1908/09 bis 1916/17
auf 134 Millionen festgesetzt. Nach dem Flottenprogramm, wie nach dem
Entwurf bis einschließlich 1908.09 vorgesehen ist, wird die Flotte, was die
Zahl der Schiffe und ihre Stärke anbetrifft, verdoppelt werden. In den
aktiven Dienst werden eingestellt werden vier Linienschiffe vom Typ des
Vittorio Emanuele, vier gepanzerte Kreuzer vom Typ des San Giorgio,
ein Küstenpanzer, 14 Torpedobootszerstörer, 12 Unterseeboote und 42
Torpedoboote.
12. Mai. (Kammer.) Auswärtige Politik. Kreta, Drei-
bund, Balkanfragen.
Bei der Beratung des Budgets des Auswärtigen bespricht Minister
Tittoni die internationalen Probleme, die sämtlich keinen Grund zu Be-
unruhigungen böten. „Eine Vereinigung Kretas mit Griechenland ist un-
möglich, besonders wegen der Rückwirkung, die sie auf den Balkan ausüben
würde. Die Kreter vergessen zu leicht die Dankbarkeit, die sie den Mächten
schulden, die ihnen Freiheit und Autonomie gegeben haben, und schaffen
ihnen jetzt Ungelegenheiten. Das ist von Griechenland in loyaler Weise
anerkannt worden. Italien hat zwei Kriegsschiffe in die kretischen Gewässer
entsandt zum Schutze des italienischen Kontingents und der italienischen