Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einundzwanzigster Jahrgang. 1905. (46)

244 Schmeden und Norwezen. (März 1.— April 5.) 
1.2. März. (Norwegen.) Das Ministerium tritt zurück. 
Außerung des Kronprinzen. 
Staatsminister Hagerup erklärt in seinem Abschiedsgesuche, daß 
eine vollständige Klarstellung des Unionsverhältnisses auf der Grundlage 
und Voraussetzung notwendig sei, daß, wenn Norwegens berechtigte natio- 
nale Forderungen nicht im Rahmen der bestehenden Staatsverbin dung er- 
füllt werden könnten, freiere Formen für das Zusammenarbeiten der beiden 
Völker gesucht werden müßten. Einseitige norwegische Beschlüsse, die sich 
auf die Konsulatssache beschränkten, seien nicht geeignet, zum Ziele zu 
führen. — Am folgenden Tage erklärt der Kronprinz in einem offenen 
Briefe seine Ueberzeugung, daß mit Rücksicht auf die europäische Lage 
eine Vereinigung beider Reiche das beste sei. Die unerläßliche Bedingung 
für die Erfüllung des von Norwegen gehegten Wunsches nach einem eigenen 
Konsulatswesen müsse sein, daß das Verhältnis zum gemeinsamen Mini- 
sterium des Auswärtigen in einer die Union sichernden Weise hergestellt 
werde, und daß die Angelegenheit nur in Uebereinstimmung mit dem § 5 
der Reichsakte entschieden werden könne. 
10. März. (Norwegen.) Neubildung des Ministeriums. 
Es setzt sich folgendermaßen zusammen: Michelsen: Staatsminister 
in Christiania, Chef des Justizdepartements, Loerland, Staatsminister in 
Stockholm; Arcander, Departement für Handel, Industrie und auswärtige 
Angelegenheiten; Gunnar Knudsen, Finanzdepartement; Propst Christian 
Knudsen, Kirchendepartement; Winje, Landwirtschaftliches Departement; 
Olssoen, Landesverteidigungsdepartement; Lehmkuhl, Departement für öffent- 
liche Arbeiten; Hagerup und Bothner werden der Staatsratsabteilung in 
Christiania zugeteilt. 
15. März. (Norwegen.) Ministerpräsident Michelsen erklärt 
im Storthing über das Programm des Ministeriums: 
Die jetzige Regierung sei gebildet, um das verfassungsmäßige Recht 
Norwegens auf ein eigenes norwegisches Konsulatswesen durchzuführen. 
Das norwegische Volk habe keinen höheren Wunsch, als mit allen Völkern 
und nicht zum wenigsten mit dem schwedischen Nachbarvolke in Frieden 
und gutem Einvernehmen zu leben; es wünsche, seine ganze Nationalkraft 
einsetzen zu können zur Entwickelung seiner materiellen Hilfsquellen. Die 
Regierung sei überzeugt, daß der einige und unbeugsame Wille des nor- 
wegischen Volkes sein Recht in Uebereinstimmung mit der Verfassung zur 
Geltung bringen werde. 
5. April. (Stockholm.) Erklärung des Kronprinzen-Regenten 
im gemeinsamen Staatsrat über die Unionsfrage. 
Er fordert die Staatsräte der beiden Königreiche auf, unverzüglich 
und ohne an den früheren Gesichtspunkten festzuhalten, freie und freund- 
schaftliche Verhandlungen über eine neue Ordnung aller gemeinsamen An- 
gelegenheiten wieder aufzunehmen und zwar auf der Grundlage, daß eine 
vollständige Gleichstellung für beide Länder zu suchen und zu verwirklichen 
sei. Der Weg, auf dem man mit gutem Willen von beiden Seiten zu 
einer alle Parteien befriedigenden Lösung gelangen könne, sei folgender: 
Ein gemeinsamer Minister des Aeußeren, sei es ein Schwede oder ein Nor- 
weger, der den beiden Königreichen oder den gemeinsamen Institutionen 
verantwortlich ist; besondere Konsuln für jedes Königreich mit der Maß- 
gabe, daß die Konsuln bezüglich aller Angelegenheiten, welche die Be-
	        
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