Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einundzwanzigster Jahrgang. 1905. (46)

246 Schmeden und Nerwegen. (Mai 2.—27.) 
Falle die Durchführung der Sache verzögern würden. Nachdem die Re- 
gierung die im Laufe der letzten 60 Jahre zu wiederholtenmalen gepflo- 
genen aber stets gescheiterten Verhandlungen nochmals in Erwägung ge- 
zogen hat, betont sie: Wenn die zuletzt, und zwar zu Anfang dieses Jahres, 
geführten Verhandlungen ohne Erfolg geblieben sind, so muß dies auf 
den Umstand zurückgeführt werden, daß die schwedische Regierung, trotz 
des vom Könige gutgeheißenen vorläufigen Abkommens, eine Reihe von 
Forderungen aufgestellt hat, die zum Teil das ausschließen würden, was 
durch das vorläufige Abkommen bereits als gegeben vorausgesetzt war. 
Unter diesen Umständen glaubt die Regierung davon abraten zu müssen, 
daß wegen der Unionsverhältnisse neue Unterhandlungen eingeleitet werden, 
ehe das gesonderte norwegische Konsulatswesen durchgeführt ist. Auf alle 
Fälle aber müßten die neuen Verhandlungen, sollte es wirklich dazu 
kommen, auf einer ganz freien Grundlage unter voller Anerkennung der 
Souveränität jedes der beiden Reiche, ohne Vorbehalt oder Beschränkung 
irgendwelcher Art geführt werden. Es müßte bindende Voraussetzung sein, 
daß die bis jetzt bestehenden Verhältnisse der Ausübung des Selbstbestim- 
mungsrechtes jedes einzelnen der beiden Reiche keine Hindernisse in den 
Weg legen sollen, sondern daß jedes der beiden Reiche die künftigen Formen 
seines nationalen Daseins in voller Freiheit feststellen könne. Denn nicht 
eine Zwangsunion, sondern nur das gegenseitige Zutrauen und die gegen- 
seitige Sympathie zweier freier selbständiger Nationen kann die Zukunft 
und das Glück beider Völker und die Unabhängigkeit und Integrität dem 
Reiche sichern. Bei der Behandlung der Sache vor dem Kronprinz-Regenten 
in der gestrigen gemeinschaftlichen Sitzung des norwegischen und schwe- 
dischen Ministeriums in Stockholm betonte die norwegische Staatsrats- 
abteilung in Stockholm, daß norwegischerseits eine Auflösung der Union 
nicht bezweckt werde, zugleich aber glaubte die Staatsratsabteilung doch 
betonen zu müssen, daß eine solche Auflösung immerhin statthaft sein würde. 
2. Mai. (Schweden.) Beide Kammern des Reichstags 
stimmen der Erklärung des Kronprinz-Regenten vom 5. April zu. 
5. Mai. (Schweden.) Die Zweite Kammer des Reichstags 
lehnt alle Vorschläge über die Wahlreform ab. Die Reform ist 
damit gescheitert. 
16. Mai. (Norwegen.) Das Storthing beschließt mit 81 
gegen 36 Stimmen die Einführung der direkten Wahl für das 
Storthing. 
23. Mai. (Norwegen.) Das Storthing genehmigt das Kon- 
sulatsgesetz. 
27. Mai. (Norwegen.) Nichtsanktionierung des Konsulats- 
gesetzes. Entlassungsgesuch der Regierung. Presse über Auflösung 
der Union. · 
Im Staatsrat, der unter dem Vorsitz des Königs in Christiania 
stattfindet, verweigert König Oskar die Sanktion des Konsulatsgesetzes. 
Daraufhin reicht die ganze Regierung ihr Entlassungsgesuch ein. Dasselbe 
lautet: „Falls Euere Majestät nicht geneigt sein sollten, dem Ansuchen der 
norwegischen Regierung um Genehmigung des vom Storthing angenom- 
menen Gesetzes, betreffend das norwegische Konsulatswesen, zuzustimmen, 
erlauben wir uns untertänigst zu beantragen, daß wir sofort von unseren
	        
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