248 Schweden und Norwezen. (Juni 7./8.)
Inhalte nach von den beiden Völkern verschieden aufgefaßt worden. Von
schwedischer Seite sind Bestrebungen ausgegangen, die Gemeinschaft aus-
zudehnen, von norwegischer Seite Bestrebungen, sie auf die in der Reichs-
akte vorgeschriebene Gemeinschaft zu beschränken und im übrigen die All-
gemeinheit der beiden Reiche in allen Angelegenheiten geltend zu machen,
welche nicht in der Reichsakte als unionelle bezeichnet sind. Der prin-
zipielle Gegensatz in der Auffassung über den Charakter der Union hat
viel Mißverständnis zwischen den Völkern hervorgerufen und manche Rei-
bungen veranlaßt. In der Auffassung, welche während der letzten Ver-
handlungen zwischen den beiden Reichen von der schwedischen Regierung
gegenüber Norwegen geltend gemacht wurde, hat das norwegische Volk
eine Kränkung seines verfassungsmäßigen Rechtes, seiner Selbständigkeit
und nationalen Ehre sehen müssen. Die Union hatte ihre Berechtigung,
solange sie dazu beitragen konnte, Wohlfahrt und Glück beider Völker zu
fördern unter Wahrung ihrer Selbständigkeit als souveräne Staaten. Aber
über der Union steht für uns Norweger unser norwegisches, für die
Schweden das schwedische Vaterland, und wertvoller als die politische Ver-
bindung sind das Solidaritätsgefühl und freiwilliges Zusammenhalten der
beiden Völker. Für dieses Solidaritätsgefühl zwischen dem norwegischen
und dem schwedischen Volke, welches das Glück der beiden Völker sichern
und ihre Stärke nach außen sein sollte, ist die Union eine Gefahr ge-
worden. Wenn die Vereinigung jetzt gelöst wird, hat das norwegische
Volk keinen anderen Wunsch, als in einem guten Verständnis mit allen
und nicht zum wenigsten mit dem Volke Schwedens und der Dynastie zu
leben, unter deren Leitung unser Land trotz vieler und bitterer Unions-
streitigkeiten ein so bedeutendes geistiges und materielles Wachstum er-
fahren hat. Als Zeugnis dafür, daß die Arbeit und der Kampf des nor-
wegischen Volkes für die volle Selbständigkeit des Vaterlandes nicht in
irgendwelcher Mißstimmung gegen das königliche Haus oder das schwedische
Volk begründet gewesen ist und keine Bitterkeit gegen einen von ihnen
hinterlassen hat, ersucht das Storthing ehrerbietigst Seine Majestät um die
Mitwirkung, daß einem Prinzen aus Seiner Majestät Haus gestattet wird,
unter Aufgabe seines Erbrechtes auf den Thron Schwedens die Wahl zum
König von Norwegen anzunehmen. Der Tag, an dem das norwegische
Volk seinen eigenen König erhält, um den alten Thron Norwegens zu be-
steigen, wird die Aera ruhigerer Arbeitsbedingungen für Norwegen, eines
guten herzlichen Verhältnisses zum schwedischen Volk und des Friedens,
der Eintracht und des treuen Zusammenhaltens im Norden zum Schutze
der Kultur der Völker, ihrer Freiheit und ihrer Selbständigkeit einleiten.
Hiervon überzeugt, wagt es das Storthing, die sichere Hoffnung auszu-
sprechen, daß das, was jetzt geschehen ist, sich zum Guten für alle wenden
wird, auch für Ew. Majestät, für dessen Person das norwegische Volk
Hochachtung und Ergebenheit bewahren wird."“
7. Juni. (Norwegen.) Das Storthing beschließt, die Unions-
zeichen aus der Kriegs= und Handelsflagge zu entnehmen.
7.8. Juni. (Stockholm.) Der König protestiert in einem
Telegramm gegen die ungesetzliche Handlungsweise des Storthing
und lehnt den Empfang einer Deputation ab.
Juni. (Schweden.) Die Presse betont, daß das norwegische
Storthing nicht befugt sei, den König zu stürzen, weil er von seinem
verfassungsmäßigen Recht Gebrauch gemacht habe. Einige erklären