258 Kußland. (Januar Ende—Februar 6.)
Ende Januar. (Polen.) Bei wiederholten Zusammenstößen
zwischen Streikenden und Soldaten in Lodz und Warschau werden
mehrere Hundert Arbeiter getötet.
Ende Januar. Der Moskauer Stadthauptmann führt in
einer öffentlichen Erklärung die Bewegung in Rußland auf eng-
lische und japanische Machenschaften zurück. Auf Protest des eng-
lischen Botschafters wird die Erklärung desavouiert.
Januar. Februar. In fast allen größeren Städten (besonders
Petersburg, Moskau, Riga, Warschau, Lodz, Baku, Tiflis, Batum)
finden große Streiks statt. Mehrfach können die Zeitungen nicht
erscheinen. Viele Zusammenstöße mit Truppen und Polizisten
finden statt.
1. Februar. Der Minister des Innern Fürst Swiatopolk-
Mirski tritt zurück; sein Nachfolger wird Bulygin, bisher General=
gouverneur von Moskau.
1. Februar. (Zarskoje Selo.) Der Zar empfängt eine
Deputation Petersburger Arbeiter und hält folgende Ansprache:
„Ich habe euch berufen, damit ihr meine Worte von mir selbst
vernehmen und dieselben euren Genossen mitteilen könnt. Die beklagens-
werten Ereignisse sind traurig, aber die unvermeidlichen Folgen sind ein-
getreten, weil ihr euch von Verrätern und Feinden unseres Vaterlandes
habt verführen lassen. Als sie euch aufforderten, eine Bittschrift über euere
Bedürfnisse an Mich zu richten, habt ihr ench zu einer Revolte gegen Mich
und meine Regierung aufgewiegelt, indem ihr euch hinreißen ließet, die
Arbeit in einem Zeitraum zu verlassen, an dem alle wahren Russen un-
aufhörlich arbeiten müssen, um unseren hartnäckigen Feind zu besiegen.
Aufstände und aufwieglerische Kundgebungen führen die Menge stets zu
Ruhestörungen, die die Behörden immer gezwungen haben und auch in
Zukunft zwingen werden, das Militär zu verwenden, was unschuldige
Opfer zum Ergebnis hat. Ich weiß, daß das Leben der Arbeiter nicht
leicht ist. Es müssen viele Dinge organisiert und verbessert werden, aber
habet Geduld; Wir greifen selbst, wenn es nötig wird, ein, um das Recht
des Arbeiters und des Arbeitgebers zu schützen. Wir werden bestrebt sein,
die Verhältnisse unserer Industrie zu berücksichtigen, aber mir euere Be-
dürfnisse in der Gestalt einer aufwieglerischen Menge auseinanderzusetzen, ist
ein Verbrechen. In Meiner Sorge für die Arbeiter werde Ich esen, n
ergreisen, um alles Mögliche zu tun, um ihre Lage zu verbessern und ihnen
gesegliche Wege zur Prüfung ihrer Forderungen zu sichern. Ich glaube an
die ehrlichen Gesinnungen der Arbeiter, an ihre Ergebenheit für Mich und
Ich verzeihe ihnen ihre Freveltat. Geht an eure Arbeit zurück! Erfüllt
eure Aufgaben mit euren Genossen! Gott helfe euch!“
6. Februar. Die Adelsversammlung von St. Petersburg
fordert den Kaiser auf, „erwählte Vertreter des Volkes“ an der
Gesetzgebung und Beratung der Regierungsmaßregeln teilnehmen
zu lassen.