262 Rußland. (März Mitte—30.)
Trost aus dem festen Vertrauen auf die Gnade, die Gott stets dem
russischen Volke bewiesen hat, und aus der bekannten uralten Ergebenheit
unseres treuen Volkes für den Thron. Mit den Gebeten der heiligen
rechtgläubigen Kirche, unter dem Banner der selbstherrlichen kaiserlichen
Gewalt hat Rußland schon häufig große Kriege und Wirren überstanden,
stets mit neuer unbeugsamer Kraft aus den Nöten und Schwierigkeiten
hervorgehend. Doch die in letzter Zeit im Innern herrschende Unordnung
und das Umsichgreifen der auf Aufruhr und Unruhen gerichteten Gedanken
machen es uns zur Pflicht, die Regierungsinstitutionen und alle Autoritäten
an ihre Dienstpflicht und ihren Diensteid zu erinnern und sie aufzufordern
zur Wahrung des Gesetzes, der Ordnung und der Sicherheit, ihre Auf-
merksamkeit zu verschärfen im festen Bewußtsein ihrer moralischen und
dienstlichen Verantwortung gegen Thron und Vaterland. Unausgesetzt auf
das Volkswohl bedacht, im festen Vertrauen, daß Gott, nachdem er unsere
Geduld geprüft, unseren Waffen den Sieg schenken werde, rufen Wir die
utgesinnten Leute aller Stände auf, jeden in seinem Beruf und an seinem
latze, sich in einmütiger Mitwirkung uns mit Wort und Tat anzu-
schließen zu dem heiligen großen Werke der Ueberwindung des hartnäckigen
äußeren Feindes, zur Ausrottung des Aufruhrs im Lande und zum be-
sonnenen Entgegenwirken gegen die inneren Wirren. Wir erinnern dabei
daran, daß es nur bei ruhiger Stimmung der gesamten Bevölkerung mög-
lich ist, Unsere auf Erneuerung des geistigen Lebens des Volkes, auf die
Kräftigung seines Wohlstandes und die Vervollkommnung der Staatsord-
nung gerichteten Absichten zu verwirklichen. Mögen alle russischen Unter-
tanen sich fest um den Thron scharen, getreu Rußlands Vergangenheit,
die ehrlich und gewissenhaft in Uebereinstimmung mit uns für die Ange-
legenheiten des Staates besorgt sind! Gott möge der Geistlichkeit wahre
Frömmigkeit, den Regierenden Gerechtigkeit und Wahrheit, dem Volke
Frieden, den Gesetzen Kraft, dem Glauben Gedeihen geben zur Befestigung
der Selbstherrschaft und zum Wohl Meiner treuen Untertanen. Nikolaus.
Mitte März. Infolge der Niederlage bei Mukden erklären
sich manche Zeitungen für den Frieden. Offiziöse Stimmen betonen
die Notwendigkeit, den Krieg siegreich zu beenden.
26. März. (Warschau.) Der Polizeichef wird durch eine
Bombe verwundet.
29. März. Verfügung des Kaisers über Reformen in Polen.
Darin heißt es, daß sich mit der Erneuerung des bürgerlichen Lebens
im Weichselgebiet in den verflossenen letzten 40 Jahren eine Reihe von
Bedürfnissen hervorgedrängt hätte, denen die Regierung jetzt besondere
Aufmerksamkeit schenke. Die Versuche der Feinde der Rechtsordnung, Wirren
hervorzurufen, verhinderten eine ruhige Erörterung der Bedürfnisse. Gleich-
eitig äußerten einige Gruppen der polnischen Gesellschaft übermäßige An-
prüche bezüglich der Grenzen der Anwendung der Staatssprache, welcher
im ganzen Reiche eine gebührend hohe Bedeutung gesichert bleiben müsse,
aber ohne überflüssige, ungerechte Verdrängung der örtlichen Sprachen.
Demgemäß beauftragt der Kaiser den Generalgouverneur, unter gesetz-
mäßiger, fester Unterdrückung der künstlich hervorgerufenen Wirren an die
Ausarbeitung von Reformen zu gehen, die als notwendig anerkannt werden
für das Gedeihen des untrennbar mit den übrigen Teilen des russischen
Staates verbundenen Gebiets.
30. März. (Petersburg.) Die Polizei entdeckt ein Komplott