Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einundzwanzigster Jahrgang. 1905. (46)

266 Nukland. (April 29.—Mai Anfang.) 
von Gebethäusern. Für die Altgläubigen und Sektierer trerten die für die 
Kirchen andersgläubiger Konfessionen erlassenen Bestimmungen in Kraft. 
Die Altgläubigen und Sektierer erhalten das Recht zur Gründung von 
Einsiedeleien und Klöstern. Die Geistlichen der Altgläubigen und Sektierer 
werden in Vorsteher und Lehrer gereilt. Den Altgläubigen und Sektierern 
ist die Errichtung von Schulen gestattet, wo eine bedeutende altgläubige 
oder Sektierer-Bevölkerung vorhanden ist. Die Schulen unterliegen der 
Kontrolle des Kultusministeriums. Das Verbot der Drucklegung und Ein- 
führung altgläubiger und religiöser Bücher ist aufgehoben. Bezüglich der 
Mischehen werden die Altgläubigen, Sektierer und Andersgläubigen gleich- 
gestellt. Die Führung der Geburts-, Ehe= und Todesregister wird den 
Geistlichen der Altgläubigen und Sektierer unter obrigkeitlicher und kom- 
munaler Beaufsichtigung übertragen. Für die Wiedereröffnung der ver- 
siegelten Bethäuser wird die Allerhöchste Genehmigung eingeholt, ebenso für 
die Aufhebung des Verbots der Eröffnung von Stundistenbethäusern und 
des Eintrittes der Raskolniken in die Junker= und Militärschulen, sowie 
für die Beförderung zu Offizieren. Außerdem werden mit kaiserlicher Ge- 
nehmigung die Beschränkungen aufsgehoben, betreffend den Zivildienst und 
die Belohnung mit der Tapferkeitsmedaille für die Molokanen, Ducho- 
borzen und andere Sektierer. Der Verweser des Justizministeriums wird 
beauftragt, rechtzeitig Maßnahmen zu treffen zur Erleichterung des Schick- 
sals der wegen religiöser Vergehen verurteilten Personen, deren Strafen 
gemildert oder ganz aufgehoben werden können. Bezüglich der Konfessionen 
Andersgläubiger hat das Ministerkomitee beschlossen, die bestehenden Be- 
schränkungen zu beseitigen. Für die Eröffnung von Bethäusern ist nur die 
Zustimmung der betreffenden geistlichen Obrigkeit erforderlich. Die obli- 
gatorische Schließung der römisch-katholischen Klöster im Königreich Polen 
hört auf, soweit die neuen Bestimmungen in Kraft treten. Der Religions- 
Lutrricht Andersgläubiger erfolgt in allen Lehranstalten in der Mutter- 
prache. 
April. Der Zar erwidert auf ein Gesuch des Heiligen Synod, 
ein Konzil zur Wahl eines Patriarchen und zur Vornahme von 
Reformen einzuberufen: 
Ich halte es für unmöglich, in der gegenwärtigen unruhigen Zeit 
eine so große Sache zu vollbringen, die Ruhe und Ueberlegung erfordert. 
Ich behalte mir vor, bei Eintritt des dafür günstigen Momentes nach 
altem Beispiel der rechtgläubigen Kaiser die große Sache in Gang zu 
bringen und ein Konzil der altrussischen Kirche zur kanonischen Erörterung 
von Glaubensangelegenheiten einzuberufen.“ — Den Antrag der H. Synode 
hatte der Oberprokurator Pobjedonovszeff heftig bekämpft. 
29. April. Es wird verfügt, daß an allen Hochschulen, wo 
infolge von Unruhen die Kurse unterbrochen wurden, keine Prü- 
fungen stattfinden sollen. 
30. April. Ein kaiserlicher Ukas erläßt den Bauern in meh- 
reren Gouvernements Steuerrückstände seit 1867 in der Höhe von 
75 Millionen Rubeln. 
Ende April. Anfang Mai. (Warschau.) In mehrtägigen 
Kämpfen zwischen Militär und Aufständischen werden über 100 Per- 
sonen getötet. Es bricht ein allgemeiner Streik aus.
	        
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