Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einundzwanzigster Jahrgang. 1905. (46)

268 Rußland. (Juni 4. 14.) 
schleunigen Friedensschluß; Rußland müsse durch Kulturarbeit sein Prestige 
wiederherstellen („St. Petersburger Ztg.“, „Rußkoje Slowo“). Andere 
fordern Einberufung der Volksvertretung, damit sie über Krieg und Frieden 
entscheide („Ruß", „Now. Wremja“). Der „Swjet“" verlangt Fortsetzung 
des Krieges; er müsse zu Lande entschieden werden. — Eine trotz polizei- 
lichen Verbots in Moskau zusammengetretene Versammlung von Semstwo- 
mitgliedern und Stadthäuptern richtet eine Adresse an den Zaren, worin 
es heißt: Majestät! Befehlen Sie unverzüglich, ehe es zu spät wird für 
das Heil Rußlands, daß zur Festigung der Ruhe und des Friedens im 
Innern von allen Ihren Untertanen, ohne Unterschied, mit gleichem Recht 
zu wählende Volksvertreter einberufen werden, die im Einvernehmen mit 
Ihnen die Lebensfrage entscheiden, ob Krieg, ob Frieden, die über die 
Friedensbedingungen entscheiden oder den Frieden ablehnen und damit den 
gegenwärtigen Krieg in einen nationalen Krieg umwandeln, die allen 
Völkern ein Rußland zeigen, das aufgehört hat, von inneren Kämpfen 
zerrissen und erschöpft zu sein, sondern im Gegenteil geheilt und mächtig 
in seiner Wiedergeburt, um eine einzige nationale Fahne geschart ist, und 
die im Einvernehmen mit Ihnen die neue Organisation des Staates 
herbeiführen. 
4. Juni. Der Generalgouverneur von Petersburg, General 
Trepow, wird zum Gehilfen des Ministers des Innern ernannt. 
4. Juni. (Petersburg.) Demonstrationen von etwa 15000 
Arbeitern führen zu Kämpfen mit dem Militär. 
14. Juni. Das Ministerium des Auswärtigen veröffentlicht 
folgende Mitteilung über die Friedensverhandlungen: 
„Der Präsident der Vereinigten Staaten hat den Botschafter der 
Republik am kaiserlichen Hofe beauftragt, um eine Privataudienz nachzu- 
suchen, um direkt an den Kaiser das Zeugnis der unveränderlichen Gefühle 
der Freundschaft der Vereinigten Staaten für Rußland gelangen zu lassen 
und den persönlichen Wunsch des Präsidenten Roosevelt zum Ausdruck zu 
bringen, im Interesse der ganzen Welt so viel als möglich zur Einstellung 
der Feindseligkeiten in Ostasien beizutragen. Der Botschafter hatte den 
Befehl hinzuzufügen, daß Präsident Roosevelt gleichzeitig denselben Schritt 
bei der japanischen Regierung getan habe. Der Kaiser hatte darauf geruht, 
den Botschafter der Vereinigten Staaten zu empfangen und mit Geneigt- 
heit die Initiative des Präsidenten aufzunehmen, welche übrigens bei den 
Rußland befreundeten Mächten vollkommene Sympathie gefunden hatte. 
Präsident Roosevelt hat, nachdem er sich alsbald überzeugt hatte, daß Japan 
geichfalls geneigt sei, den Vorschlag anzunehmen, durch die Vertreter der 
epublik in Petersburg und Tokio der kaiserlichen Regierung wie der 
japanischen Regierung eine offizielle Mitteilung über diesen Gegenstand 
zugehen lassen, die dann in Washington veröffentlicht worden ist. In 
Beantwortung dieser Mitteilung hat der Minister des Auswärtigen 
auf höchsten Befehl den amerikanischen Botschafter durch eine Note benach- 
richtigt, daß der Kaiser sehr empfänglich für die von dem Präsidenten zum 
Ausdruck gebrachten Gefühle ist und gern einen neuen Beweis der traditio- 
nellen Freundschaft zwischen Rußland und den Vereinigten Staaten ge- 
sehen habe, sowie eine Bekundung des Wertes, den Präsident Roosevelt 
im völligen Einklang mit den Ansichten des Kaisers der allgemeinen Be- 
ruhigung beilegte, welche so wesentlich für das Wohl und den Fortschritt 
der ganzen Menschheit ist. Was eine eventuelle Zusammenkunft von 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.