Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einundzwanzigster Jahrgang. 1905. (46)

274 Rußland. (August 19.) 
Kaiser unterbreitet, mit Ausnahme des in Art. 49 angeführten Falles. 
Art. 49. Gesetzesvorlagen, welche mit Zweidrittelmehrheit in Plenarsitzungen 
der Duma und des Reichsrats abgelehnt worden sind, gehen an den zu- 
ständigen Minister zurück, um einer ergänzenden Beratung unterzogen und 
sodann von neuem unter Zustimmung des Kaisers zur legislativen Be- 
schlußfassung gestellt zu werden. Art. 50. Sollte der Reichsrat einem Be- 
schlusse der Duma nicht zustimmen können, so kann die in Frage stehende 
Angelegenheit vermöge einer Entscheidung einer Plenarsitzung des Reichs- 
rats einer besonderen Kommission unterbreitet werden, die sich aus der 
gleichen Zahl von Mitgliedern der Duma und des Reichsrats zusammen- 
setzt. Diese Mitglieder werden in Plenarsitzungen der beiden Körper- 
schaften gewählt. Die Kommission, die unter dem Vorsitze des Präsidenten 
des Reichsrats oder des Präsidenten einer der Abteilungen des Reichs- 
rats tagt, hat den Zweck, eine Uebereinstimmung zwischen der Ansicht des 
Reichsrats und dem Beschlusse der Duma zu erzielen. Art. 51. Das von 
der Kommission ausgearbeitete Abkommen wird zunächst einer Plenar- 
sitzung der Duma, dann einer Plenarsitzung des Reichsrats unterbreitet. 
Wenn eine Einigung nicht erreicht werden kann, würde die Angelegen- 
heit wieder einer Plenarsitzung des Reichsrats unterbreitet werden. Art. 52. 
In dem Fall, daß eine Duma-Sitzung nicht abgehalten werden kann, weil 
eine ausreichende Zahl von Mitgliedern nicht zugegen ist, wird die Be- 
ratung der zur Diskussion gestellten Angelegenheit auf eine nächste Sitzung 
verschoben, welche spätestens nach zwei Wochen stattfinden muß. Wenn 
nach Ablauf dieses Termins die Angelegenheit wegen ungenügender An- 
zahl der anwesenden Duma-Mitglieder abermals nicht erörtert werden 
kann, ist der Minister dazu berechtigt, die Angelegenheit dem Reichsrat zu 
unterbreiten, ohne daß ein Dumabeschluß notwendig ist. Art. 53. Wenn 
der Kaiser findet, daß die Eröterung der der Duma unterbreiteten An- 
gelegenheit zu langsam vor sich geht, hat der Reichsrat einen äußersten 
Zeitpunkt zu bestimmen, bis zu dem der Beschluß der Duma formuliert 
sein muß. Wenn die Duma bis zu dem bestimmten Zeitpunkt ihren Be- 
schluß nicht mitgeteilt hat, kann der Reichsrat die Angelegenheit beraten, 
ohne daß ein Dumabeschluß vorliegen muß. Art. 58. Eine Interpella- 
tion, die auf einer Mitteilung oder Ausführung von Tatsachen beruht, 
nach denen die Minister oder Ressortschefs oder die ihnen unterstellten 
Behörden die bestehenden Gesetze verletzt zu haben scheinen, muß durch die 
Mitglieder der Duma ihrem Präsidenten vorgelegt werden. Es muß darin 
angegeben sein, welches Gesetz und in welcher Beziehung dieses verletzt zu 
sein scheine. Wenn diese Interpellation durch mindestens dreißig Mit- 
glieder unterzeichnet ist, so legt sie der Präsident zur Beratung in Pleno 
vor. Art. 59. Wenn die Interpellation von der Duma mit Stimmen- 
mehrheit angenommen wird, so wird sie dem betreffenden Minister oder 
Ressortchef mitgeteilt. Art. 60. Die Minister oder Ressortchefs haben spä- 
testens einen Monat nach Mitteilung der Interpellation der Duma ihre 
Erklärungen oder Ausführungen vorzulegen oder mitzuteilen, aus welchem 
Grunde Ausführungen oder Mitteilungen unmöglich sind. Art. 61. Wenn 
die Mehrheit der Duma, zwei Drittel der Plenarsitzungsstärke, durch die 
Mitteilung des Ministers oder Ressortchefs nicht befriedigt ist, so ist die 
Angelegenheit durch den Staatsrat Seiner Majestät dem Kaiser vorzulegen. 
Im Wahlreglement wird bestimmt: 
Wahlen zur Reichsduma finden statt: 1. in den Provinzen und 
Territorien; 2. in folgenden Städten: St. Petersburg, Moskau, Baku, 
Astrachan, Warschau, Wilna, Woronesch, Jekaterinoslaw, Irkutsk, Kasan, 
 
	        
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