Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einundzwanzigster Jahrgang. 1905. (46)

Rußland. (August 31.) 277 
teilten Instruktionen vollständig unannehmbar waren und daß die Abfassung 
anderer Bedingungen zum Nachteil der Interessen Rußlands ausgelegt werden 
konnte, schlug v. Witte den japanischen Delegierten vor, in eine eingehende 
Erörterung eines jeden Punktes einzeln einzutreten. Nachdem mehrere Sit- 
zungen dieser Arbeit gewidmet waren, kamen die russischen Bevollmächtigten 
zu dem Schluß, daß eine Einigung über vier Punkte der japanischen Vor- 
schläge nicht erzielt werden könne. Infolgedessen erklärten sich die japani- 
schen Delegierten bereit, von ihrer Regierung ergänzende Instruktionen ein- 
zuholen, zu dem Zwecke, einen versöhnlichen Ausweg aus den Schwierig- 
keiten, die sich eingestellt hatten, zu finden. Nachdem die Delegierten nach 
Tokio berichtet hatten, erklärten sie, daß sie zunächst auf die von ihnen 
gestellte Bedingung der Beschränkung der russischen Seestreitkräfte im Stillen. 
Ozean, ferner auf die Auslieferung der in neutralen Häfen internierten 
russischen Schiffe verzichteten, daß sie aber ebensowohl auf der Abtretung 
Sachalins wie besonders auf der Zahlung einer Kriegsentschädigung bestehen 
müßten. Es entspräche dies den ihnen erteilten Weisungen. Die Russen 
lehnten die letzteren Vorschläge unbedingt ab und erklärten, daß sie die 
Prüfung der Friedensbedingungen nicht fortsetzen könnten, solange Japan 
auf der Erstattung von Kriegskosten bestehe. Mit Rücksicht darauf, daß 
eine solche Wendung der Dinge den Abbruch der Verhandlungen zwischen 
den Bevollmächtigten beider Mächte herbeiführen könnte, beschloß der Präsi- 
dent der Vereinigten Staaten, auf dessen Anregung die Verhandlungen in 
Portsmouth geführt wurden, sich durch die Vermittlung des Vertreters der 
Vereinigten Staaten in St. Petersburg an den Kaiser von Rußland zu 
wenden, um diesen im Namen der Menschlichkeit zu bitten, zur Vermeidung 
weiteren Blutvergießens dem neuen Vorschlage der japanißhen Regierung 
seine Zustimmung zu geben. Dieser Vorschlag bestand darin, daß Rußland 
mit Rücksicht auf den durch die Landung japanischer Truppen auf Sachalin 
de facto geschaffenen Stand der Dinge sich bereit erklärte, Japan die Herr- 
schaft über den südlichen Teil der Insel, welche ihm bis 1875 gehört hatte, 
zu überlassen, und den nördlichen Teil gegen eine Entschädigung von einer 
Milliarde und 200 Millionen Yen (2400 Millionen Mark) zurückzukaufen. 
Der Kaiser sprach dem Präsidenten Roosevelt seinen Dank für den von ihm 
bekundeten Wunsch aus, an der Wiederherstellung des Friedens mitzuwirken, 
hielt es aber gleichwohl nicht für möglich, den genannten Vorschlag an- 
zunehmen, der seinem Wesen nach auf die Zahlung einer Kriegsentschädigung 
an Japan hinauslaufe. Von dieser Entscheidung durch die russischen Be- 
vollmächtigten in Kenntnis gesetzt, erklärten die japanischen Delegierten in 
der Sitzung am 16. August (29. August n. St.), entsprechend dem ihnen 
zugegangenen Auftrage ihrer Regierung, daß Japan auf jede bare Kriegs- 
entschädigung verzichte, aber den von ihm tatsächlich besetzten südlichen Teil 
Sachalins zurückzuerhalten wünsche mit der Verpflichtung, auf diesem Teil 
der Insel keine militärischen Maßnahmen zu treffen und keine Festungs- 
werke zu errichten, ferner auch die Meerenge von La Perouse offen zu 
lassen. Nachdem die genannte Erklärung in dem genannten Protokoll auf- 
genommen worden war, einigten sich die Bevollmächtigten auf die vor- 
läufigen Friedensbedingungen, die als Grundlage für den endgültigen 
Friedensvertrag zwischen Rußland und Japan dienen könnten. 
31. August. Der Zar telegraphiert an Roosevelt über den 
Friedensschluß: 
Empfangen Sie meine Glückwünsche und aufrichtige Erkenntlichkeit 
für Ihre persönlichen und energischen Bemühungen, welche die Friedens- 
verhandlungen einem erfolgreichen Ausgang zugeführt haben. Mein Land 
 
	        
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