Rußland. (November 6.—24.) 283
6. November. (Finnland.) Ein kaiserliches Manifest ver-
spricht die Berufung eines außerordentlichen Landtags. — Die
revolutionäre Agitation läßt infolgedessen nach.
8./10. November. (Kronstadt.) Eine große Matrosenrevolte,
an der sich der Pöbel beteiligt, wird durch Petersburger Truppen
unterdrückt.
9. November. (Petersburg.) General Trepow wird seiner
Stellung als Generalgouverneur enthoben und zum Palaiskomman=
danten ernannt.
11. November. Graf Witte lehnt die Forderung einer pol-
nischen Deputation, den Kriegszustand aufzuheben und Polen eine
Autonomie zu gewähren, schroff ab. Der Auphebung des Kriegs-
zustandes müsse die Beruhigung des Landes vorhergehen. — Am
13. spricht ein amtliches Communiqu. dasselbe aus.
Mitte November. Nach Nachrichten europäischer Blätter über-
schreiten türkische Kurden und türkische Soldaten die Grenze, um
an den Kämpfen im Kaukasusgebiet teilzunehmen.
15./20. November. Generalstreik in Petersburg. Bei der
Wiederaufnahme der Arbeit kommt es zu vielen Angriffen auf
Arbeitswillige.
19./24. November. (Moskau.) Ein Kongreß von Vertretern
von Städten und Semstwos faßt folgenden Beschluß:
Der Kongreß erklärt seine vollkommene Solidarität mit den im
Manifest vom 30. Oktober proklamierten konstitutionellen Prinzipien und
hält ihre unverzügliche Verwirklichung und fernere allseitige Ausbildung
für die unerläßliche Vorbedingung einer wirklichen Beruhigung des
Landes. Die Mitwirkung der Gesellschaft an der Schaffung geordneter
Verhältnisse könnte erfolgreicher sein, wenn die Regierung selbst die
nötige Entschlossenheit und Konsequenz bei Durchführung der verheißenen
Reformen offenbaren würde. Das Ministerium kann auf Mitwirkung
und Unterstützung der weiten Kreise der Städte und Semstwovertreter
insoweit rechnen, als es die konstitutionellen Prinzipien des Manifestes
ehrlich und konsequent realisieren wird. Jedes Abweichen von diesen
Prinzipien wird jedoch in städtischen und landschaftlichen Sphären auf ent-
schiedenen Widerstand stoßen. Der Kongreß erachtet es für notwendig,
möglichst bald eine Volksvertretung nach dem allgemeinen, direkten, gleichen
und geheimen Wahlrecht einzuberufen und der ersten Versammlung der
Volksvertreter formell konstituierende Funktionen zuzueignen behufs Aus-
arbeitung einer vom Kaiser zu genehmigenden Konstitution für das russische
Reich, behufs Demokratisierung der städtischen und landschaftlichen Selbst-
verwaltung, der Arbeitsgesetzgebung und Festlegung einer neuen Rechts-
ordnung. Noch vor Einberufung der Volksvertreter sind folgende Maß-
nahmen unverzüglich zu ergreifen: 1. legislatorische Normierung der im
Manifest vom 30. Oktober proklamierten politischen und bürgerlichen Grund-
rechte, Aufhebung sämtlicher Ausnahmegesetze und Repressivmaßnahmen,