Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einundzwanzigster Jahrgang. 1905. (46)

292 Serbien. (Januar Ende — Dezember Ende.) 
Beziehung stehen, und daß diese Offiziere dieses Treiben sogar verurteilen, 
weil es das Vertrauen in die konstitutionelle Ordnung untergrabe und auf 
die großen, durch die Tat vom 11. Juni erworbenen Errungenschaften 
einen Schatten werfe. Die Offiziere mischten sich bisher weder in poli- 
tische Fragen noch in die Verwaltung des Landes und würden dies auch 
in Zukunft nicht tun. Indem sie ihr Leben für Serbiens Rettung vor 
Anarchie und Untergang einsetzten, hätten sie ein von ganz Serbien ge- 
billigtes Werk vollbracht. Sie hätten nach der Tat die Verwaltung des 
Landes einer aus allen Parteien gebildeten Regierung übergeben und sich 
weiter in keine Staatsangelegenheit eingemischt. 
Ende Januar. Anfang Februar. Das Kabinett Pasitsch reicht 
seine Entlassung ein, zieht sie aber nach längeren Verhandlungen 
mit dem König wieder zurück. 
25. Mai. Das Kabinett Pafsitsch tritt zurück. Es wird ein 
radikales Ministerium Stojanowitsch gebildet. — Die Skupschtina 
wird aufgelöst. 
25. Juli. Bei den Wahlen zur Skupschtina erhält die Re- 
gierungspartei der selbständigen Radikalen die Mehrheit. 
30. Juli. Nach Abschluß der Wahlen besteht die Skupschtina 
aus 80 Selbständig-Radikalen, 55 Gemäßigt-Radikalen, 14 Natio- 
nalisten, 3 Liberalen, 4 Fortschrittlern, 2 Sozialisten und 1 Bauern- 
parteiler. 
12. August. Es wird ein neues aus Jungradikalen bestehendes 
Kabinett unter dem Präsidium von Ljuba Stojanowitsch gebildet. 
8. September. An der türkischen Grenze kommt es infolge 
von Grenzüberschreitungen türkischer Soldaten zu blutigen Zu- 
sammenstößen zwischen den Grenztruppen. 
24. Oktober. Die Skupschtina debattiert über die auswär- 
tige Politik, wobei einige Abgeordnete scharfe Angriffe auf die 
Königsmörder richten und sie für die traurige Lage der inneren 
und auswärtigen Politik verantwortlich machen. 
4. November. (Skupschtina.) Ministerpräsident Stojano- 
witsch führt aus, Serbien und Bulgarien müßten sich verständigen, 
um die Politik „der Balkan den Balkanbewohnern“ durchführen 
zu können. 
Ende Dezember. In Altserbien gibt es blutige Kämpfe 
zwischen Albanesen und serbischen Truppen. 
Ende Dezember. Zwischen Serbien und Bulgarien finden 
Handelsvertragsverhandlungen statt, die zu einer Zollunion führen 
sollen. Es wird ein Protest Osterreich-Ungarns dagegen erwartet.
	        
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