Kerd-Auerika. (März 13. April 4.) 295
13. März. (New-York.) Präsident Roosevelt hält auf dem
Nationalkongreß der Mütter eine Rede über Rassenselbstmord und
Mutterpflichten:
Welche wahre Mutter würde ihre Erfahrungen in Freud und Leid
austauschen gegen ein Leben in kalter Selbstsucht, in stetem Vergnügen,
und nur um der Vermeidung jeder Sorge willen, gegen ein Leben, das
die höchste Bequemlichkeit und Luxus bietet, aber buchstäblich keinen Raum
für Kinder übrig hat? Die Männer und Frauen, die absichtlich auf den
höchsten Kindersegen verzichten, sei es aus Verdorbenheit, Oberflächlichkeit,
Kälte, zügelloser Genußsucht, oder aus der bloßen Unfähigkeit, Wichtiges
von Unwichtigem zu unterscheiden, solche Menschen verdienen nur tiefe
Verachtung, wie man sie für den Soldaten empfindet, der in der Schlacht
davonläuft, oder für den Mann, der nicht arbeiten will für den Unterhalt
derer, die von ihm abhängig sind. Daß es einen solchen Frauentypus im
amerikanischen Leben gibt, zeigt die durch die Statistik bewiesene Tatsache,
daß in einigen Gegenden die Familien abnehmen, und die erschreckend große
Zahl der Scheidungen. Die Leichtigkeit der Scheidung ist ein Verderben
für ein Volk, ein Fluch für die Gesellschaft, eine Bedrohung des Heims,
eine Quelle des Unglücks für Verheiratete und ein Anreiz zur Unsittlich-
keit, ein schlimmes Ding für die Männer und ein noch schlimmeres für
die Frauen.
Anfang April. (Washington.) Neutralität Chinas.
Das Staatsdepartement publiziert die Korrespondenz über den Bei-
tritt der Mächte zu dem Programm des Staatssekretärs Hay, durch das
die kriegführenden Parteien in Ostasien bewogen wurden, die Neutralität
Chinas zu respektieren. Die diplomatische Aktion war von Amerika auf
Anregung Deutschlands unternommen worden.
4. April. (Washington.) Präsident Roosevelt wird feier-
lich in seine zweite Amtsperiode eingeführt. Er erläßt eine Bot-
schaft an das amerikanische Volk:
Kein Volk der Erde habe mehr Grund zur Dankbarkeit gegen Gott
als das amerikanische, da es vor allem in die Lage versetzt war, seiner
Wohlfahrt und seinem Glücke leben zu können. Amerika habe es nicht
nötig gehabt, für seine Existenz gegen eine fremde Rasse zu kämpfen, aber
doch habe das Leben Kraftanstrengungen herausgefordert. Der Erfolg, den
das amerikanische Volk in der Vergangenheit hatte und voraussichtlich auch
zukünftig haben wird, sollte kein Gefühl eitlen Ruhmes erwecken, sondern
das der Verantwortlichkeit und der Entschlossenheit; auch sollte es zeigen,
daß unter einer freien Regierung ein mächtiges Volk am besten gedeihen
kann.... „Wir sind eine große Nation geworden und müssen uns be-
nehmen, wie es einem Volke mit so großen Verpflichtungen geziemt; gegen
alle anderen Nationen, große wie kleine, muß unsere Haltung die einer
herzlichen und aufrichtigen Freundschaft sein. Während wir stets darauf
bedacht sind, anderen kein Unrecht zuzufügen, müssen wir nicht weniger
darauf bestehen, daß uns selbst kein Unrecht geschieht. Wir wünschen den
Frieden der Gerechtigkeit; wir wünschen ihn, weil wir es für richtig halten,
nicht weil wir uns fürchten. Keine schwache Nation, die mannhaft und
gerecht handelt, würde jemals Grund haben, uns zu fürchten; keine starke
Macht würde jemals fähig sein, uns sich auszusuchen als Gegenstand eines
frechen Angriffs. Wichtiger noch als unsere Beziehungen zu den übrigen
Mächten sind unsere Beziehungen unter uns selbst. Die Bedingungen, die