Mebersicht der pelitischen Entwickelung des Jahres 1905. 331
danischen Stämme, die die deutsche Macht besser beurteilen können,
haben dagegen bei seiner Bekämpfung mitgewirkt. Die Insurrek-
tion kostete einigen Missionaren das Leben, aber im übrigen ver-
lief sie weniger blutig als die südwestafrikanische, da die Stämme
schlecht bewaffnet und schlecht organisiert sind. In der Hauptsache
war sie an der Jahreswende schon unterdrückt. Die wirtschaftliche
Entwickelung des Schutzgebiets zeigt einige Fortschritte: der Außen-
handel ist um fünf Millionen Mark gestiegen; die Eingeborenen-
Kulturen von Kautschuk und Olfrüchten, die Pflanzungen von
Sisalhanf und Baumwolle sind vergrößert worden. Die Usambara=
eisenbahn ist bis Mombo geführt und die Bahn Dar es Salaam-
Mogoro begonnen worden. Auch in Togo ist der Eisenbahnbau
gefördert worden. — Die Vergrößerung der kolonialpolitischen Auf-
gaben und die südwestafrikanischen Unfälle haben die Absicht her-
vorgerufen, das Kolonialamt umzugestalten. Es soll in ein Reichs-
amt mit größerer Selbständigkeit und zahlreicherem Hilfspersonal
verwandelt werden, aber einstweilen ist außer einem Personen-
wechsel in der leitenden Stellung noch nichts durchgeführt worden. —
Einige Angriffe, die von einem Abgeordneten gegen die Kolonial=
verwaltung gerichtet wurden, betrafen, soweit bisher erkennbar, nur
untergeordnete Punkte und haben keine Folgen gehabt. Eine andere
viel erörterte Frage betrifft die Bedeutung der privilegierten Gesell-
schaften in den Kolonien; sie soll durch eine Kommission von
Reichstagsmitgliedern und Regierungsvertretern untersucht werden.
Bei einem Rückblick auf die Sozialpolitik fällt vor allen
Dingen eine Reihe Streiks ins Auge: außer einigen kleineren der
Bergarbeiterstreik im Ruhrgebiet, der 200 000 Arbeiter brotlos machte,
den Arbeitern fast 20 Millionen Lohn kostete und der Kohlen-
industrie für 70 Millionen Mark Schaden zufügte; der Streik der
sächsisch-thüringischen Textilarbeiter, der 40 000, der Streik in der
Berliner Metallindustrie, der 30000 Arbeiter betraf. Alle diese
Ausstände find von den Arbeitern verloren worden. Der Berg-
arbeiterstreik hat den Arbeitern nur durch das Eingreifen der öffent-
lichen Meinung und der preußischen Regierung einige Erfolge ge-
bracht. Die Novelle zum Berggesetz ermöglicht es der Regierung,
übermäßige Arbeitszeiten herabzusetzen; sie bringt eine Reihe sani-