Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einundzwanzigster Jahrgang. 1905. (46)

             Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 1.) 29
 
In der neuen Viehkonvention ist es uns gelungen, diesen Fehler zu kor- 
rigieren. Künftig soll uns die Sperrbefugnis schon dann zustehen, wenn 
in Österreich eine Tierkrankheit in bedrohlichem Umfange besteht. Wir 
haben an die Stelle der Repressivsperre die Präventivsperre gesetzt und 
dadurch einem lang gehegten Wunsch der Landwirtschaft Folge geleistet. 
Wir dürfen ferner, sofern es sich um minder gefährliche Fälle handelt, die 
Sperre bis zu neun Monaten aufrecht erhalten nach dem Zeitpunkt, an 
welchem sie amtlich für erloschen erklärt worden ist. Eine engere Begren- 
zung unseres Sperrechts haben wir gegenüber der Einfuhr von Schlacht- 
vieh zugelassen, das heißt des Viehes, das bei uns zur baldigen Abschlach- 
tung in den öffentlichen Schlachthäusern eingeführt wird. Wir bewegen 
uns also durchaus in der bisher ständigen Praxis, die wir während der 
ganzen Dauer der jetzt gültigen Viehseuchenübereinkommen ohne ernstliche, 
ohne wesentliche Gefährdung unseres Viehstandes geübt haben. Ich habe 
in der Reichstagssitzung vom 11. Dezember 1903 während der Beratungen 
des Zolltarifs erklärt, daß die verbündeten Regierungen keine Bestimmung 
in einen Handelsvertrag oder in ein Abkommen mit einem anderen Staate 
aufnehmen würden, die sie, die verbündeten Regierungen, verhindern würde, 
alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um unseren Viehstand gegen 
die Seuchengefahr wirksam zu schützen. Ich bin aber überzeugt auf Grund 
der Prüfung der neuen Seuchenkonvention, daß die Seuchenkonvention mit 
der Präventivsperre bei richtiger Handhabung durch die Regierung — in 
dieser Beziehung verlasse ich mich ganz auf meinen Freund, den Herrn 
Landwirtschaftsminister (große Heiterkeit) — unseren Viehbestand zuverlässig 
schützen wird. Es ist uns ferner gelungen, wesentliche Erhöhungen unserer 
Viehzölle zu erlangen. Besonderes Gewicht lege ich auf die Erhöhung des 
Zolles für Schweine, da die Aufzucht und der Verkauf von Schweinen 
gerade von den kleinen Landwirten betrieben wird. Künftig sollen die 
Schweine nach dem Gewicht verzollt werden, und zwar mit 9 Mark für 
den Doppelzentner Lebendgewicht. Die Erfahrung zeigt, daß das statistische 
Gewicht des importierten Schweines 1½ Doppelzentner beträgt. Der Zoll 
pro Schwein wird also künftig etwa 13½ bis 14 Mark betragen, d. h. 
viermal soviel als bisher. Von großer Bedeutung ist die anderweitige 
Normierung und wesentliche Verstärkung des Zolles für warmblütige Pferde. 
Während bisher Pferde ohne Unterschied der Abstammung nach Stück ver- 
zollt wurden, soll künftig der Zoll nach dem Wert erhoben werden, und 
zwar bis zum Werte von 1200 Mark ohne Einschränkung, wie sie vom 
Auslande lebhaft gewünscht wurde, ein Stückzoll von 72 Mark. Diese 
Verstärkung unseres Pferdezolles ist von großer Bedeutung auch für unsere 
Wehrkraft, für die Förderung der Zucht geeigneter Remonten. Unter der 
Herrschaft des bisherigen viel zu niedrigen Pferdezolles war die Remonte- 
zucht gerade in dem eigentlichen Zuchtgebiet, in der Provinz Ostpreußen 
zurückgegangen. Wir hoffen, daß jetzt ein an Qualität und Quantität 
genügender Ersatz von Pferden für unser Heer sichergestellt werden wird. 
Das würde für unsere Landesverteidigung von großem Werte sein. Von 
andern landwirtschaftlichen Zöllen ist der Butterzoll von 16 auf 20 Mark, 
der Hopfenzoll von 14 auf 20 Mark erhöht worden. Ich weiß wohl, 
m. H., daß der Hopfenzoll im autonomen Tarif mit 70 Mark angesetzt 
war. Hätten wir an diesem Hopfenzoll festgehalten, so würde es ganz un- 
möglich gewesen sein, wieder zu Handelsverträgen mit Rußland wie mit 
Österreich-Ungarn zu kommen. Das wäre in diesem Falle völlig aus- 
geschlossen gewesen. Die Hopfenproduzenten werden sich also mit der 
immerhin ins Gewicht fallenden Erhöhung von 6 Mark zufrieden geben 
müssen. M. H., wo wir für unsere Landwirtschaft so große Vorteile er-
	        
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