Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einundzwanzigster Jahrgang. 1905. (46)

34         Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 3./8.) 
rechte Beurteilung wird nach der festen Ueberzeugung der verbündeten Re- 
gierungen zu der Anerkennung führen müssen, daß die neuen Verträge auf 
einer für uns annehmbaren Grundlage abgeschlossen sind, auf der Grund- 
lage der Wahrung unserer berechtigten Interessen und der vollen Gegen- 
seitigkeit. Die neuen Verträge bringen unserer Landwirtschaft den Schutz, 
dessen sie unbedingt bedarf, ohne die Interessen der Gesamtheit in unbilliger 
Weise zu schädigen. Wir schaffen für unsere Industrie und unseren Handel 
Bedingungen, unter denen sie gedeihen und sich entwickeln können. Wir 
nehmen von unserem gesamten wirtschaftlichen Leben den Druck der Un- 
gewißheit und Unsicherheit, der seit Jahren auf ihm lastet und den wir 
auf die Dauer nicht vertragen können. Wir eröffnen dem Reiche neue 
Einnahmequellen, deren wir bei unserer sehr ungünstigen finanziellen Lage 
dringend bedürfen. Der Bundesrat hat gestern die neuen Vereinbarungen 
einstimmig angenommen. Die verbündeten Regierungen sind überzeugt, 
daß auch Sie den neuen Verträgen die Zustimmung erteilen im Interesse 
der inneren und äußeren Wohlfahrt des Deutschen Reiches, zum Wohle 
unserer gesamten nationalen Arbeit. (Lebhafter Beifall.) 
               3./8. Februar. (Preußisches Abgeordnetenhaus.) Zweite 
und dritte Beratung der wasserwirtschaftlichen Vorlagen. Annahme. 
              Abg, am Zehnhoff (Z.) berichtet über die Kommissionsbeschlüsse 
und führt aus, daß durch die Verkürzung bei Hannover und durch das 
Schleppmonopol die befürchtete Konkurrenz für die Eisenbahnen beseitigt 
sei. So würden die erwarteten Ausfälle der Eisenbahneinnahmen nur 
7 Millionen Mark betragen. Minister der öffentlichen Arbeiten v. Budde: 
Der westliche Teil der Vorlage solle den Nordseehäfen, besonders Emden, 
ein neues Hinterland schaffen und sie konkurrenzfähig machen. Die ge- 
wünschte Kanalisierung der Mosel, Saar und Lahn müsse verschoben wer- 
den, werde aber vorbereitet. In Zukunft werde man der Frage, ob Ab- 
gaben auf den natürlichen Wasserstraßen zu erheben seien, näher treten 
müssen; allerdings seien dabei große praktische und staatsrechtliche Schwie- 
rigkeiten zu überwinden. Abg. Graf Limburg-Stirum (kons.) lehnt die 
Vorlage ab, die eine große wirtschaftliche Verschiebung herbeiführen werde. 
Die Strecke Hannover-Magdeburg werde später doch gebaut werden, wenn 
man einmal anfange, und dann würden alle die früher geschilderten üblen 
Folgen eintreten. Abg. Dr. Arendt (srk.) befürchtet von dem Kanal eine 
Schmälerung der Finanzen, so daß kein Geld zum Ausbau des Eisenbahn- 
netzes bleibe. Abg. Friedberg (nl.): Die Vorlage sei zwar gegen die 
frühere erheblich verschlechtert, aber die Nationalliberalen würden sie doch 
annehmen. Abg. Wiemer (fr. Vp.) will die Vorlage ablehnen, falls die 
Frage der Schiffahrtsabgaben damit verknüpft wird. Die Verkürzung des 
Kanals werde das preußische Wirtschaftsgebiet zerreißen. — Am folgenden 
Tage lehnt Abg. Graf Spee (Z.) die Vorlage ab, weil sie die Finanzen 
schädige und nur dem Großkapital nützen werde. Abg. Frhr. v. Zedlitz 
(srk.): Die Vorlage sei nötig zur Entlastung der Ruhreisenbahn. Bei den 
Überschüssen der Eisenbahnen und direkten Steuern kämen etwaige Aus- 
fälle der Eisenbahneinnahmen von 15 Millionen nicht in Betracht. Abg. 
Grabski (Pole) lehnt den Kanal ab, weil er nichts für Posen bringe und 
die Polen keine Veranlassung hätten, die Regierung zu unterstützen. 
              Am 6. Februar tadelt Abg. Gyßling (fr. Vp.), daß der masurische 
Kanal nicht in die Vorlage ausgenommen sei. Minister v. Budde: Die 
Vorarbeiten seien noch nicht beendet und überdies dürfe man das Kanal- 
schiff nicht überlasten. Hierauf wird der Kommissionsantrag auf Einfüh- 
rung des Schleppmonopols und von Schiffahrtsabgaben mit folgender 
  
 
	        
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