Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 11.—15.) 41
zungsverträge sind, hat kein Bundesstaat das Recht, sich in irgendwelcher
Weie zu beschweren. Aus diesem Grunde konnten wir nicht bescheiden,
auch nicht unbescheiden sein. Wir wurden hinzugezogen, wo es nach den
bestehenden Bestimmungen nötig war.
Am 14. Februar bestreitet Staatssekretär Graf Posadowsky die
vom Abg. Gothein aufgestellte Behauptung, daß Fürst Bismarck im Jahre
1887 beabsichtigt habe, für den Fall, daß ein Handelsvertrag mit Rußland
zustande kommen sollte, mit den Getreidezöllen bis auf 1 Mark herab-
zugehen. In den Akten aller Ministerien sei nichts darüber zu finden.
Hierauf werden die Verträge an die Budgetkommission verwiesen.
11./12. Februar. (Berlin.) Parteitag der Freisinnigen Ver-
einigung.
Der Parteitag fordert eine allgemeine, unentgeltliche Volksschule
unter Ausschluß jeder anderen öffentlichen Unterrichtsanstalt für den ersten
Unterricht und lehnt die konfessionellen Schulen sowie die geistliche Schul-
aufsicht ab. — Nach heftigen Debatten wird eine Resolution gegen eine
geringe Minderheit genehmigt, die neuen Handelsverträge wegen ihrer
einseitigen Begünstigung des Großgrundbesitzes abzulehnen.
13. Februar. (Berlin.) Die Generalversammlung des Bun-
des der Landwirte erkennt an, daß die neuen Handelsverträge eine
gewisse Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktion bringen,
obgleich viele berechtigte Wünsche nicht berücksichtigt seien.
14. Februar. (Reichstagswahl.) Bei der Ersatzwahl in
Hof erhalten Geißler (Soz.) 10329, Dr. Goller (verein. Liberale)
10254, Metzger (Bd. d. Ldw.) 3291 Stimmen. In der Stichwahl
am 23. erhält Goller 14865, Geißler 11182 Stimmen. Die
Mehrheit der Antisozialisten ist seit 1903 um 3300 Stimmen ge-
stiegen.
14. Februar. (Preußisches Abgeordnetenhaus.) In der
zweiten Beratung des Ministeriums des Innern wird vornehmlich
debattiert über Selbstverwaltung, Schutz der Arbeitswilligen, Dirnen-
und Zuhälterwesen, Korpsstudenten in der Verwaltung (1903 S. 90),
Parität der Konfessionen.
15. Februar. (Preußisches Herrenhaus.) Annahme der
Hiberniavorlage (S. 19) und einer Resolution auf Schulden-
tilgung.
Professor Schmoller: Bei der großen Entwickelung des Bankwesens
hat sich die Notwendigkeit herausgestellt, daß die Regierung die eine oder
andere große Bank in ihrem Besitz hat, um den privaten Mächten an Börse
und Markt irgendwie entgegenwirken zu können. Ein ähnliches ist auch
hier in bezug auf den Kohlenbergbau notwendig. Gewiß hat das Rheinisch-
Westfälische Kohlensyndikat vor allem in der Zeit von 1895—1900 segens-
reich gewirkt, und seine Leitung nimmt nicht bloß auf die Steigerung der
Gewinne, sondern auch auf das allgemeine Staatswohl Rücksicht.
Aber die Leitung könne auch einmal in die Hände von bloßen Geschäfts-
leuten kommen, deshalb müsse der Staat Einfluß darauf haben, um un-