42 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 15./17.)
staatsmännische Operationen zu verhindern. Eine Gefahr allgemeiner
Verstaatlichung liege in dem Gesetze nicht... Nach meiner Überzeugung
liegt die Sache so, daß niemand mehr eine Aktion treibt, die auf die Ver-
staatlichung des ganzen Bergbaues hinzielt, als derjenige, der so kleine
Vorlagen entrüstet abweist. Wenn das geschieht, dann wächst die Stim-
mung für eine allgemeine Verstaatlichung. Wer das hintanhalten will, der
muß diese kleine Korrektur, die dies Gesetz bringt, vornehmen. Eine solche
Korrektur der Übergriffe des Syndikats ist die Vermehrung des staatlichen
Besitzes im Rheinland und Westfalen. Es gibt auch andere Mittel da-
gegen, z. B. ein großes, beschränkendes Syndikatsgesetz, aber das ist un-
endlich schwer zu schaffen. Es würde jahrelang dauern, bis wir es be-
kommen, und wenn wir es bekommen, dann wird es uns gehen wie in
Amerika, daß gewandte Geschäftsleute sagen: durch das Gesetz fahren wir
mit vier Pferden durch alle Paragraphen hindurch. Handelsminister
Möller: Die Regierung denke nicht an allgemeine Verstaatlichung; die
Privatinitiative würde nicht zu ersetzen sein und die Regierung wolle nicht
die Verantwortung für die Bildung des Kohlenpreises übernehmen.
Die Vorlage und folgende von der Kommission beantragte Resolu-
tion werden angenommen: Die Regierung zu ersuchen, das Mehrerträgnis
aus den Dividenden der vom Staate erworbenen Aktien der Bergwerks-
gesellschaft Hibernia über die zur Verzinsung der entsprechend ausgegebenen
Staatsschuldverschreibungen oder Schatzanweisungen erforderlichen Beträge
zur Amortisation dieser Schuldverschreibungen oder Schatzanweisungen zu
verwenden, und zwar über das gesetzliche Mindestmaß von ⅜ Prozent der
jeweiligen Staatskapitalschuld hinaus.
15. Februar. (Berlin.) Der deutsche Handelstag billigt
mit großer Mehrheit die Handelsverträge.
15./17. Februar. (Reichstag.) Beratung und Annahme der
Handelsverträge in der Kommission.
Staatssekretär des Auswärtigen Frhr. v. Richthofen erwidert auf
eine Anfrage, ob auch im Falle der Zolltrennung zwischen Österreich und
Ungarn die Annahme des Vertrages gesichert sei: Wenn die Sanktionie-
rung in Österreich oder Ungarn unterbleiben sollte, würden sich dieselben
Konsequenzen ergeben, als wenn in einem anderen Staate für einen Ver-
trag nicht die parlamentarische Genehmigung erzielt würde; die Gesamt-
monarchie sei das mit uns kontrahierende Rechtssubjekt. Sollte wider
Erwarten einer der sieben Verträge die Genehmigung des Reichstages nicht
finden, so müßten für diesen Fall die verbündeten Regierungen sich ihre
Entschließungen völlig vorbehalten.
Über die Viehseuchenkonvention und die Schiedsgerichte erklärt
Staatssekretär Graf Posadowsky: Die Viehseuchenkonvention könne nie-
mals Gegenstand schiedsgerichtlicher Behandlung werden. Überhaupt werde
man mit der Ausdehnung des schiedsgerichtlichen Verfahrens über den
Kreis zolltechnischer Fragen hinaus sehr vorsichtig sein und sich dabei nur
von den deutschen Interessen leiten lassen. Man solle nicht fürchten, daß
von österreichisch-ungarischer Seite auf dem Umwege der Refaktien der
Zoll für Malz illusorisch gemacht werden könnte. Der Geist, in dem die
Verhandlungen geführt wurden, gestatte nicht, anzunehmen, daß die öster-
reichisch-ungarische Regierung der Malzausfuhr prämienartige Vergünsti-
gungen zuwenden würde. In diesem nicht zu erwartenden Falle hätte
übrigens Deutschland durchaus das Recht und die Freiheit, Gegenmaßregeln
zu egreifen... Mit der Seuchenkonvention stehe und falle der Handels-
vertrag.