94 JNas Venutsche Reich und seine einfeluen Glieder. (April 21. 24.)
getroffen. Von ihm wird auch die Entschädigung (§ 1 Absatz 1 unter b,
8 3) für jedes Mitglied des Reichstags auf Grund der Anwesenheitslisten
sowie der Listen über namentliche Abstimmungen festgesetzt und angewiesen.
§ 5. Ein Mitglied des Reichstags darf in seiner Eigenschaft als Mitglied
einer anderen politischen Körperschaft, wenn beide Körperschaften gleichzeitig
versammelt sind, nur für diejenigen Tage Vergütung beziehen, für welche
ihm auf Grund dieses Gesetzes ein Abzug von der Entschädigung gemacht
ist oder in den Fällen des § 3 Tagegeld nicht gewährt wird. Auch darf
es in dieser Eigenschaft während der Dauer der freien Fahrt auf den Eisen-
bahnen keine Fuhrkosten für die Reise zwischen seinem Wohnort und dem
Sitze des Reichstags annehmen. 8§ 6. Ein Verzicht auf die Aufwands-
entschädigung ist unzulässig. § 7. Ist im Falle des Todes eines Mitglieds
des Reichstags eine Ehefrau hinterblieben, so kann die Zahlung an diese
erfolgen, ohne daß deren Erbrecht nachgewiesen zu werden braucht. § 8.
Während des Kalenderjahres 1906 wird bei der Vertagung oder Schließung
des Reichstages den Mitgliedern an Stelle der nach § 1 Absatz 1 unter b
zu zahlenden Entschädigungen eine solche von 2500 Mark gewährt. Mit-
glieder des Reichstages, die in der Zeit vom Inkrafttreten des Gesetzes bis
zur Vertagung oder Schließung des Reichstages neu gewählt werden, er-
halten an Stelle der im Absatz 1 bezeichneten Entschädigung 20 Mark
Tagegeld für jeden Tag der Anwesenheit in einer Plenarsitzung. Die 88 2, 4,
5 und 7 finden für die Zeit vom Inkrafttreten des Gesetzes ab entsprechende
zünwenuung. § 9. Dieses Gesetz tritt mit dem Tage seiner Verkündigung
in Kraft.
Der im Zusammenhange mit der Diätenvorlage eingebrachte Gesetz-
entwurf wegen Aenderung der Artikel 28 und 32 der Verfassung bestimmt:
I. Der Artikel 28 der Reichsverfassung erhält folgenden Zusatz: Beschluß-
fassungen über den Geschäftsgang sind, soweit sie nicht selbst den Gegen-
stand der Tagesordnung bilden, von der Anwesenheit einer bestimmten An-
zahl von Mitgliedern nicht abhängig. II. An Stelle des Artikels 32 der
Reichsverfassung treten folgende Vorschriften: Die Mitglieder des Reichs-
tages dürfen als solche keine Besoldung beziehen. Sie erhalten eine Ent-
schädigung nach Maßgabe des Gesetzes.
21. April. (Hessen.) Gleichberechtigung der höheren Lehr-
anstalten.
Die Regierung erläßt eine Verordnung über die Gleichberechtigung
der höheren Lehranstalten im Großherzogtum Hessen für die Zulassung zur
Immatrikulation in der juristischen und philosophischen Fakultät der Landes-
universität Gießen sowie zu den Prüfungen für den Staatsdienst im höheren
Justizverwaltungsfach. Im höheren Forstfach und höheren Lehrfach werden
die Reifezeugnisse der Gymnasien, Realgymnasien und Oberrealschulen, so-
weit dies bisher nicht schon geschehen ist, einander gleichgestellt.
24. April. Der „Vorwärts“ schreibt über das neue franzö-
sische Kabinett:
Ueberraschend könnte es höchstens wirken, daß in der republikani-
schen Regierung, die dem Zarismus die Kriegsmittel zur Niederwerfung
seines Volkes zuführt, auch ein Sozialist zu finden ist. Aber diese Tat-
sache beweist auch nur die von uns seit jeher auerkannte Tatsache, daß der
sozialistische Ministerialismus, die Teilnahme eines Sozialisten an einem
bürgerlichen Ministerium, in normalen Zeiten nichts sein kann als eine
Quelle der Korrumpierung von Sozialisten. Im Falle Briand hören jeden-
falls alle Meinungsverschiedenheiten auf. Ein Sozialist, der es in einer