Das Denisihe Reich und seine einzelnen Glieder. (August 24.) 155
schirmten Weisheit seine Zustimmung gibt. Wir sind nicht päpstlicher als
der Papst. . .. Ein solcher Ausgleich sei auch das beste für Italien. Im
eigenen Interesse wünschen wir, daß der Bundesgenosse des Deutschen Reiches
ein starker Staat sei, wir wünschen Italien besonders Festigkeit im In-
neren; die innere Stärke wird aber nach meiner Ansicht erst dann ver-
bürgt sein, wenn die römische Frage gelöst ist, wenn ein endgültiger Aus-
leich zwischen Papsttum und italienischem Königtum geschlossen ist, die
Kuft zwischen Vatikan und Quirinal überbrückt sein wird. Ritter v. Mehrs-
walden über Volksbildungsbestrebungen fordert volkstümliche Arbeit in
der Presse, in der Schule, Einrichtung von Volksbüchereien, Vorträgen,
künstlerischen Aufführungen. Professor Zahn spricht über Erziehung durch
die Kunst. Seminarpräses Lausberg über die Frauenfrage: Viele Frauen
müßten sich selbst erhalten, daher müsse ihnen die Möglichkeit geboten
werden, zu einer würdigen Einzelexistenz zu gelangen. Daher sei die
Mädchenausbildung außerordentlich wichtig. Frauenbildung müsse stets
wesentlich Frauensache bleiben, deshalb müßten in der Mädchenerziehung
Männer und Frauen gleichberechtigt sein. Graf Galen schildert die
Bonifatiusvereine als eine Organisation nicht zum Kampf, sondern zur
Unterstützung der leidenden Glaubensgenossen. Amtsgerichtsrat De Witt
polemisiert gegen die Behauptung, daß der katholische Glaube an frucht-
bringender Tätigkeit im wirtschaftlichen und öffentlichen Leben hinderlich
sei. An der Sozialpolitik, dem Ausbau des Heeres, der Marine und der
Kolonien habe das Zentrum einen maßgebenden Anteil. P. Seiler 8. J.
betont die Wichtigkeit der Kirche für die Lösung der sozialen Frage, die
nicht ohne Gerechtigkeit und Liebe zu erreichen sei.
In der Presse wird im allgemeinen der imposante Verlauf des Tags
anerkannt; insbesondere wird hervorgehoben, daß keine andere bürgerliche
Partei eine solche Arbeitermasse stellen könne. Vermißt wird dagegen eine
lebendige Diskussion. — Viel wird sodann besprochen die Schlußrede des
Kardinals Vannutelli, der u. a. nach der „Kölnischen Volkszeitung“ ge-
sagt habe: „Sie stehen groß da in den Augen des Heiligen Vaters, weil
Sie, mit solcher Klugheit geschmückt, gern und bereitwillig auf das Wort
Ihrer Bischöfe und in Ihrem ganzen Vorgehen, möge es sich auf die
Religion, bürgerliche oder soziale Angelegenheiten. beziehen, ihrer und des
Heiligen Stuhles Autorität sich unterordnen.“ — Protestantische Blätter
sehein darin eine vollständige Unterwerfung des Zentrums unter den Willen
Roms. Nach einigen Tagen bringt die „Kölnische Volkszeitung“ eine
Korrektur: „Zu der Ansprache des Herrn Kardinals Vannutelli wird uns
weiter mitgeteilt: Die von verschiedenen Blättern abgedruckte Uebersetzung
sei speziell in dem angeführten Satze ungenau, der Gehorsam und Unter-
ordnung der Katholiken unter die Bischöfe und den Heiligen Stuhl auch
in bürgerlichen und sozialen Angelegenheiten verlangt. Der Herr Kardinal
habe von einem Vorgehen in bürgerlichen und sozialen Angelegenheiten
mit der ausdrücklichen Einschränkung, #soweit es die Religion berührt“
(quatenus religionem attingit) gesprochen.
24. August. Der Kaiser erläßt folgenden Gnadenakt:
Allerhöchster Gnadenerlaß vom 24. August 1906.
Wir Wilhelm von Gottes Gnaden, König von Preußen wollen, da
Uns durch Gottes Gnade ein Enkel geschenkt ist, der in wenigen Tagen
die heilige Taufe empfangen soll, und dieser Tag dazu auffordert, em-
pfangene Unbill zu verzeihen und Vergebung zu üben, allen denjenigen
Personen, welche bis zum Abschluß des heutigen Tages durch Urteil eines
preußischen Zivilgerichts wegen einer gegen Unsere Person begangenen